Haggis ganz harmlos – eine schottische Kostprobe in Berlin


Ein bisschen enttäuscht bin ich ja schon, schließlich hört man die wildesten Geschichten vom schottischen Nationalgericht Haggis. Traditionell verwendet der Koch für dessen Zubereitung einen Schafsmagen, den er mit kleingeschnittenen Innereien des Tieres sowie mit gehackten Zwiebeln, Nierenfett und Hafermehl füllt. Wer nicht gerade Schotte und/ oder Fan von Innereien ist, reagiert bei dieser Beschreibung meist mit einem gewissen Entsetzen. Es wird aber noch besser. Das gefüllte Magensäckchen wird nämlich zugenäht und zum Garen in einen Topf mit siedendem Wasser gehängt. Dabei quillt das Getreide. Zum Servieren wird der nun pralle, kugelförmige Haggis aufgeschnitten, was die Eingeweide Füllung herausquellen lässt. Dazu isst man „Tatties ’n Neeps“ – Kartoffel- und Weiße-Rüben-Püree.

Wir hatten ja in Neuseeland, wo es im windzerzausten, hügeligen Süden der Südinsel eine große schottische Community gibt, schon einmal Haggis probiert, allerdings in Wurstform. Jetzt wollten wir uns endlich mal an das Original heranwagen – und es vor allem sehen. „Haggis Tasting Platter“ versprach der schottische Pub „Das Gift“, anlässlich der Berlin Craft Beer Week, gepaart mit einem ausgesuchten schottischen Bier. Das klang gleich doppelt verlockend.

Und dann das! Mein Teller stellt nicht etwa eine Szene aus dem Horrorfilm nach, sondern sieht einfach nur aus als hätte Oma großzügig mit der Schöpfkelle aufgetan. Ein Häufchen Kartoffelpürree, ein Häufchen Süßkartoffel-Karotten-Pürree und ein Häufchen Haggis. Und selbst bei genauerem Hinschauen schaut Letzteres nicht zum Davonlaufen aus, sondern erinnert bestenfalls an etwas grob durchgedrehtes Hack.

„Haggis ist im Grunde wie ein ‚getreidiges‘ Hackfleisch“, beschreibt es die Speisekarte – „erdig, pfeffrig, feucht und krümelig.“ Und die Zutaten? „Einfach Lamm, Rind, Hafer, Zwiebeln und Gewürze“. Kein Hinweis auf Innereien, aber vielleicht muss man das auch nicht extra betonen, wenn man Berliner Hipster und Touristen aus aller Welt und wer sich sonst in Nordneukölln herumtreibt an das schottische Nationalgericht heranführen möchte. Was erfreulicherweise außerdem fehlt, und zwar im Haggis, sind künstliche Farbstoffe, Aromen oder Konservierungsstoffe. Schließlich stammt er von einem mehrfach preisgekrönten Familienunternehmen aus Edinburgh, welches das Nationalgericht bereits seit 1953 herstellt.

Genug geguckt, jetzt wird probiert. Der Duft ist schon mal vielversprechend und der Geschmack steht den (wie uns der nette schottische Barmann verrät: von Google ins Deutsche übersetzten) Versprechen der Speisekarte in Nichts nach. Der Haggis ist fein gewürzt, pfeffrig, aber nicht zu pikant, und schmeckt ansonsten einfach saftig-fleischig. Und was die Eingeweide angeht: Ich esse sehr selten welche (eigentlich vor allem die köstliche Mark- und Leberknödelsuppe meiner Mutter) und hatte nicht das Gefühl, dass mir der Haggis etwas Überraschendes oder gar Unangenehmes, sei es nun haptisch oder geschmacklich, in den Mund mogeln würde. Einfach nur lecker!

Genauso wie übrigens der Black Pudding aus Stornoway, den wir ebenfalls verkosten. Auch er ein Direktimport aus Schottland, genauer gesagt von der Isle of Lewis, deren Hauptstadt Stornoway ist und deren Blutwurst von der europäischen Kommission die „geschützte geographische Bezeichnung“ erhalten hat (damit werden Originale gekennzeichnet, wie z.B. Champagner, der nur aus der Chamapgne stammen darf, oder auch die „Bayerische Brez’n“). Das süße, leicht scharfe Apfelchutney passt toll dazu ebenso wie das süffige ‚Flower Power‘ IPA von Schoppe Bräu aus Berlin, das fruchtig-hopfige Aromen beisteuert.

Noch besser schmeckt uns allerdings das schottische ‚Midnight Sun‘ Porter von Williams Bros. Tiefschwarz, sehr würzig mit Röstaromen und überraschend bitter, entfaltet es erst nach ein paar Schlucken feine Schokonoten und kitzelt unsere Zunge mit einem Hauch von Ingwer. Großartig zum würzig-fleischigen Haggis und den eher süßlichen Gemüsebeilagen.

Auf dem dritten Probierteller oben im Bild seht ihr einen heiß geräucherten schottischen Lachs mit Kartoffelsalat – kein bisschen kontrovers, aber sehr lecker. Alle drei Gerichte finden sich übrigens auch nach dem Ende der Beer Week auf dem regulären Menü, nur das Bierangebot wechselt. Im schlimmsten Fall müsst ihr euren Haggis mit einem Pale Ale statt mit einem Porter herunterspülen.

Das Gift, Donaustrasse 119, 12043 Berlin (Neukölln)

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