Gino Paolella beugt sich über den Bottich und zieht einen langen Holzstab durch den Käsebruch. Noch einmal gießt er mit einer großen Kelle kochendes Wasser hinein und rührt dann konzentriert mit dem Holzstab in der einen, der Kelle in der anderen Hand durch die gelblich-weiße Masse. Auf einmal wird der Teig zäh und zieht dicke Stränge. Paolella lächelt. Die Konsistenz stimmt!
Dampf hängt über dem Bottich. Ich stehe direkt daneben und schwitze unter dem Plastikkittel und der Haube, die ich überziehen musste, bevor ich die Käserei betreten durfte. Wie warm muss es erst Paolella sein, dem 72-jährigen italienischen Käsemacher, der auch noch den Käse rühren muss? Der lässt sich jedoch nicht in seiner Konzentration stören. Testweise zieht er einen Käsestrang auseinander: Zäh reißend, aber nicht zu fest. Perfekt. Jetzt füllt sein Assistent die Masse in eine Maschine, durch die sie in einen Aufsatz mit kinderfaustgroßen Löchern gepresst wird: So entstehen die charakteristischen Mozzarellakugeln.
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Um bei der Herstellung des Büffelmozzarellas zuschauen zu können, musste ich nicht etwa nach Italien fahren, sondern nur einen Ausflug nach Brandenburg unternehmen. Die Käserei befindet sich in Kremmen, etwa eine Stunde nördlich von Berlin, und die Weide mit den Büffeln noch ein Stückchen weiter in Richtung Hamburg. Das Wissen, wie aus der Büffelmilch jener feinaromatische, typisch italienische Weichkäse entsteht, stammt jedoch aus Kampanien: Familie Paolella stellt dort bereits seit 1750 mozzarella di bufala her. Gino brachte es,
zusammen mit seinem über Generationen entstandenen Gespür für Käse, vor über 20 Jahren mit nach Deutschland.
Das Kapital, mit dem die Käserei in Kremmen auf den technisch allerneuesten Stand gebracht wurde, stammt allerdings aus einer Berliner Familiendynastie:
Matthias Wegert, Westberlinern durch den Fachhandel Foto-Radio-Wegert bekannt und in den Nuller Jahren Inhaber verschiedener Elektronikgroßmärkte, ist 2012, gemeinsam mit Partner Detlef Kibelka, mit einem Anteil von 50% bei Mozzarella Paolella eingestiegen. Wegert und Kibelka besitzen auch die Prignitzer Ackerbau- und Landmilch-Gesellschaft mit einigen hundert Milchkühen, und Wegert gehört zudem ein Restaurant in Berlin-Dahlem, in dessen Küche pro Jahr etwa sieben Tonnen Mozzarella verarbeitet werden.
Dieser Hintergrund führte dazu, dass Wegerts Käselieferant eine Kettenreaktion auslöste, als er 2011 die Preise um 15 Prozent erhöhen wollte. „Ich kannte ja aus meinem eigenen Betrieb die Niedrigpreise für Milch“, erinnert sich Wegert an sein Erstaunen. Der Unternehmer holte Alternativangebote ein und erhielt von Paolella eines, das noch unter dem ursprünglichen Preis seines alten Lieferanten lag. „Mein erster Gedanke war: Dann kann die Qualität ja nicht stimmen.“ Es fehlten aber einfach die Zwischenhändler: Paolella produziert regional und vertreibt direkt. Wegerts Geschäftssinn erwachte. Er schlug vor, den Betrieb in Kremmen mit seiner Milch aus der Prignitz zu beliefern, um sie zu Mozzarella zu veredeln. Paolella machte ihm jedoch einen Gegenvorschlag: Warum er nicht auf Wasserbüffel umsteige, aus deren Milch traditionell italienischer Mozzarella hergestellt werde.
Büffelmilch enthält rund 9% Fett, also etwa doppelt so viel wie Kuhmilch, außerdem mehr Vitamine, Eisen, Kalzium, ungesättigte Fettsäuren – und ein feines Aroma. Wer ein Mal Büffelmozzarella gekostet hat, wird nie wieder die faden Industrie-Käsekugeln aus Kuhmilch essen. Für einen Liter wird außerdem 1,50 Euro und mehr gezahlt, während Wegert damals für seine Kuhmilch weniger als 20 Cent bekam. „Da habe ich richtig große Ohren bekommen.“
An einem schönen Septembertag 2012 bezogen 103 weibliche Jungtiere und vier Bullen aus Italien ihr neues Zuhause im Norden Brandenburgs, auf Wegerts Milchfarm in der Prignitz. Der Berliner besucht sie regelmäßig, streichelt die zutraulichen Tiere und bespricht sich mit seinem Herdenmanager vor Ort. Inzwischen sind es 337 Tiere, von denen um die 80 Milch geben – die genaue Zahl schwankt, je nachdem, welche Kühe gerade trächtig sind.
Zwei Mal wöchentlich, im Sommer drei Mal, werden etwa 900 Liter Büffelmilch nach Kremmen geliefert und direkt verarbeitet. Neben Mozzarella stellen Gino Paolella und seine Mitarbeiter auch Burrata her: Das ist mit Sahne gefüllter Weichkäse. Eine echte Kalorienbombe. Aber mit gutem Olivenöl, etwas Salz und Pfeffer abgeschmeckt, dazu gutes Brot, einfach köstlich!
Bei meinem Ausflug nach Kremmen habe ich noch etwas gelernt: Büffel geben im Winter sehr viel mehr Milch als im Sommer. Mozzarella ist hierzulande jedoch vor allem als leichtes, schnelles Sommeressen beliebt. In Italien hingegen isst man den cremigen Weichkäse das ganze Jahr über. Als ich mehrere italienische Freunde nach einem Rezept fragte, das auch im deutschen Winter gut schmecken könnte, empfahlen sie mir übereinstimmend mozzarella in carrozza:
Für 4 Personen braucht man
- 8 entrindete Scheiben pane pugliese (Bauernbrot)
1 große Kugel Büffelmozzarella
wahlweise 4 Scheiben Schinken oder 4 Anchovyfilets
3 Eier
2 Tl Milch
etwas Mehl
Salz und Pfeffer
Olivenöl zum Braten
Zubereitung
Den Mozzarella in vier Scheiben schneiden und etwas trocken tupfen. Zusammen mit dem Schinken oder den Anchovies auf vier Brotscheiben verteilen, die anderen vier Scheiben darauf legen und an den Rändern zusammendrücken. Jedes Sandwich ganz kurz mit jeder Kante in eine Schüssel mit kaltem Wasser und anschließend in Mehl dippen, um sie zu verkleben. Die Eier mit der Milch, etwas Salz und Pfeffer in einem Schälchen verrühren. Reichlich Olivenöl in einer tiefen Pfanne erhitzen. Wenn das Öl heiß ist, die Sandwiches mit beiden Seiten ins Ei tauchen, dann sofort in die Pfanne geben. Beidseitig goldbraun braten. Aus der Pfanne nehmen, kurz auf etwas Küchenpapier abtropfen lassen. Fertig ist der „Mozzarella im Schlitten“.
Ganz ehrlich: Für mich klang das eher nach etwas, das ein Fast Food Junkie erfunden hat. Ist aber in ganz Italien beliebt, versicherten mir meine Freunde, die in Turin, Rom und Neapel wohnen. Dann muss da wohl was dran sein.
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