Weihnachten in Spanien: von Turrón und Polvorones, Weihnachtsdeko unter sommerblauem Himmel und der Hysterie rund um den Hauptgewinn der Lotería de Navidad


„Ay qué frío!“, quieken die Spanierinnen, sobald das Thermometer auch nur zaghaft in Richtung Null sinkt. Das hält die Jüngeren unter ihnen allerdings nicht davon ab, sich in superkurzen Miniröcken ins superlange Nachtleben zu stürzen. Die älteren Semester hingegen hüllen sich in Pelzmäntel, die aussehen als kämen sie direkt aus dem russischen Zarenreich. Zwei Meter Fell im Quadrat, drei oder vier solcher Matronen in einer Reihe, walzen flanieren sie dann über die Bürgersteige.

Zumindest erinnere ich es so aus der Zeit meines Erasmus-Semesters in Salamanca.

Natürlich hatte ich mir das Wintersemester ausgesucht, um an Spaniens ältester Uni Vorlesungen zu hören, und beglückwünschte mich jeden Tag dazu, Berlins sibirische Kälte gegen Salamancas blauen Himmel und Sonnenschein getauscht zu haben. Als die Adventszeit begann, wurde ich allerdings doch ein bisschen wehmütig. Dazu muss man wissen, dass das Zentrum der Studentenstadt fast komplett aus imposanten, jahrhundertealten Gebäuden besteht; Bäume gibt es hingegen praktisch keine. Ich weiß noch genau wie überrascht ich war, als ich bei einem Wochenendausflug ins nahe Madrid plötzlich buntes Herbstlaub sah.

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Wochenlang bewegte ich mich durch diese wunderschöne, aber irgendwie aus der Jahreszeit gefallene Stadt. Tagsüber lief ich mit tausenden anderen Studenten, die jeden Morgen und Abend und dazwischen nochmal zur obligatorischen Siesta die Innenstadt fluteten, zur Uni und wieder in meine WG zurück. Und nachts begegneten wir uns wieder in den Gassen, nur dass wir jetzt statt Bücher unter dem Arm Drinks in der Hand hatten.

Und plötzlich war der Dezember da –

was sich vor allem in der Weihnachtsdeko bemerkbar machte, die nun in Form von bunten Lichterketten quer über den Straßen hing. Außerdem bekam man überall Turrón und Polvorones zu kaufen. Ersteres ist eine Art weißes Nougat, welches in allerlei Geschmacksrichtungen, zum Beispiel mit Nüssen, kandierten Früchten oder Schokolade, hergestellt wird. Manche nennen die mal weichen, mal bissfesten, aber immer klebrigen Tafeln auch liebevoll Plombenreißer. Polvorones wiederum sind weiche, aus Schweineschmalz, Mehl, Zucker, Milch, Mandeln und Nüssen gebackene Kekse. Ihr Name leitet sich von polvo, spanisch für Staub, ab, denn genau dazu werden sie im Mund.

Als Studentin mit kleinem Budget habe ich es damals nicht so mitbekommen, aber „zu Weihnachten drehen die Spanier einfach durch was das Essen angeht“, erzählte mir neulich meine Freundin Cathrin, die seit vielen Jahren in Madrid lebt. „Sie sind locker in der Lage, dafür auch Kredite aufzunehmen.“ Das finden wir natürlich ziemlich sympathisch – fürs Essen und Reisen würden die Jäger des verlorenen Schmatzes durchaus auch einen Kredit aufnehmen.

Vielleicht ist diese Haltung auch der Grund, warum die Spanier wie verrückt Lose für die Lotería de Navidad kaufen, die größte Lotterie der Welt. Zur Weihnachtszeit stehen noch mehr singende Losverkäufer als sonst vor allen Geschäften, große Papierbögen mit den bunten Losen um den Hals gehängt. Am 22. Dezember wird die Ziehung der Losnummern dann über Stunden live übertragen (sogar auf der Webseite der altehrwürdigen Tageszeitung El País) und genau aufgelistet, in welche Städte und Dörfer welcher Anteil des milliarden(!)schweren Lostopfes fließt.

Wir haben das System dahinter bis heute nicht verstanden – man kann auch Bruchteile von Losen kaufen und sich diese mit Verwandten oder Kollegen teilen, oder so ähnlich – trotzdem haben auch wir in diesem Jahr immer wieder auf El País vorbeigeschaut. Denn der kleine spanische Feinkostladen in unserem Kiez hat ebenfalls Lose verkauft. Es gab nur einen Preis zu gewinnen, nämlich einen edlen Pata-Negra-Schinken von einem jener halb wild lebenden schwarzen Schweine aus der Extremadura, die sich nach Herzenslust mit Eicheln vollfuttern dürfen. Also: der Gewinn bestand nicht nur aus ein paar Scheiben, sondern einem kompletten Schweinebein! In dieser Qualität kostet so ein Schinken, auch jamón bellota genannt, rund 300 Euro. Das Gewinnerlos sollte jenes sein, welches mit den letzten beiden Ziffern des Hauptgewinns (genannt El Gordo, der Dicke) der Lotería de Navidad übereinstimmt.

Unseres war es leider nicht, wie wir gegen Mittag feststellten. Der spanische Wein auf der Weihnachts-Party, die das kleine Deli mit dem passenden Namen Jamón Jamón am Abend schmiss, schmeckte trotzdem ausgezeichnet. Und erst recht die Probierplatte mit Schinken und Salami vom schwarzen Bellota-Schwein.

Jamón Jamón, Schönleinstraße 32, Berlin-Kreuzberg, Tel. 030/ 61623457

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