Eine Theorie besagt, dass es in jedem Land mindestens eine Speise gibt, welche alle Menschen, die nicht dort aufgewachsen sind, sofort in die Flucht schlägt. Oder die Fremde zumindest äußerst seltsam und unappetitlich finden. Für die Einheimischen hingegen ist sie eine Leckerei. Etwas, das sofort Heimatgefühle weckt, wenn man selbst vielleicht gerade in einem anderen Teil der Welt unterwegs ist.
Früher schützten diese „Delikatessen“ (laut der Theorie) die Sippe, weil jeder potenzielle Feind von außen sofort enttarnt wurde, sobald man sie ihm auf den Teller legte oder ein Glas davon eingoss. Und heute? Geistern sie auf so vielen Selfies, Food Blogs und Youtube-Videos durchs Netz, dass man auf Reisen immer seltener wirklich überrascht wird. Schade eigentlich.
Aber eines sind solche landestypischen Spezialitäten immer noch: identitätsstiftend. Wenn ich an Deutschland denke, fällt mir zum Beispiel sofort gutes Brot ein. Was haben wir uns danach gesehnt während unseres Roadtrips durch Neuseeland…
Und wie ist es umgekehrt? Welche typisch neuseeländischen Delikatessen habt ihr in NZ lieben gelernt und überlegt schon verzweifelt, wie ihr sie hier, am anderen Ende der Welt, beschaffen könnt? Welche kiwiana lassen euch schaudern, wenn ihr nur daran denkt?
Macht mit uns den kulinarischen Einwanderungstest: Wie viel Kiwi steckt in euch?
1. Sandwich mit Hackfleisch, Zwiebeln und Worcester Sauce
Ein All-Time-Favourite von Shannon Campbell, ein in Berlin lebender Kiwi und Koch. Als ich ihn nach seinen kulinarischen Kindheitserinnerungen frage, erzählt er mir, dass er in den Ferien oft bei seinen Großeltern in Taupo war und natürlich viel Zeit am und auf dem See verbrachte, beim Angeln oder Wasserski Fahren. „Im Winter, wenn wir durchgefroren und herrlich müde nach Hause kamen, hat Nana für uns mince on toast gemacht. Das war einfach nur gebratenes Hackfleisch mit Zwiebeln, das wir auf dick mit Butter bestrichenes Toast häuften und mit reichlich Worcester Sauce aßen. Scheibe um Scheibe – mehr brauchten wir in dem Moment nicht.“ Shannons kulinarische Erinnerung lebt in Berlin weiter: Er macht mince on toast inzwischen auch für seine Töchter.
2. Marmite
Als acquired taste wird der Geschmack von Marmite gerne bezeichnet. Um intensives Brühwürfelaroma auf dem Frühstückstoast (oder auch zu jeder anderen Tageszeit) zu mögen, trainieren die meisten Kiwis ihre Geschmacksknospen bereits als Kleinkinder. Immer wieder lustig (zumindest für die Zuschauer): Wenn ein ahnungsloser Tourist, der mit Nutella und Marmelade zum Frühstück aufgewachsen ist, zum ersten Mal in ein Marmite-Toast beißt …
3. Marmite & Chip Sandwich
Lässt sich der Ürks-Faktor des teerartigen Brotaufstriches noch steigern? Oh ja! Man nehme zwei Scheiben labbriges Toastbrot, bestreiche sie mit Marmite, lege Kartoffelchips darauf, und lege sie zu einer Klappstulle zusammen. Knurps. Traditionell müssen es übrigens „Salt and Vinegar“-Chips sein.
4. Hokey Pokey Eis
Eis gehört untrennbar zum Sommer, egal ob man nun in Deutschland oder Neuseeland aufwächst. Hierzulande heißen die Klassiker: Zitrone, Vanille, Schokolade. In Neuseeland ist es Hokey Pokey. Klingt nicht nur niedlich, das Vanilleeis mit Karamellstückchen schmeckt auch echt lecker. Trotzdem habe ich mich beim Erstkontakt sofort als Nicht-Kiwi geoutet: erst durch meinen fragenden Gesichtsausdruck (Hokey Pokey?!), dann durch das fehlende sentimentale Seufzen und Leuchten in den Augen.
5. Fairy Bread
Noch etwas aus der Ecke Kindheitserinnerungen: Beim „Feen-Brot“ handelt es sich um Toastbrot (und zwar ungeröstet, was auf Englisch gerne euphemistisch „fresh“ genannt wird), das mit Butter bestrichen, mit kleinen Zuckerperlen in allen Regenbogenfarben bestreut und dann in Dreiecke geschnitten wird. Darf ebenso wenig auf einem neuseeländischen Kindergeburtstag fehlen wie Kartoffelchips und Cheerios. Angeblich streichen die coolen Kiwi-Kids von heute ihr Brot allerdings mit Nutella, statt mit Butter, bevor sie die Perlen drauf streuen. Naja, so lange es kein Marmite ist…
6. Sausage Sizzle
Laut Bren On the Road gab es dieses Hot Dog ähnliche Essen jeden Freitag nicht nur an seiner, sondern an vielen Schulen im ganzen Land. Die gegrillte Wurst, die man in eine weiche Toastscheibe gefaltet in die Hand gedrückt bekam, wurde mit Tomatensauce begossen (eine Art Ketchup, nicht zu verwechseln mit dem, was man aus der italienischen Küche im Zusammenhang mit Pasta kennt) und wenn man Glück hatte gab es noch eine Hand voll gegrillter Zwiebeln obendrauf. Die Herstellung war billig, weshalb die „Sausage Sizzle“ gerne als Fundraiser verkauft wurde. Daraus entstand das, was Bren „a classic Kiwi comfort food“ nennt, welches man bei Familien-BBQs, auf Märkten und Events in ganz Neuseeland bekommt.
7. The Original Kiwi Dip
Ist das trockener Humor oder tatsächlich ernst gemeint, einen Dip als „original neuseeländisch“ zu bezeichnen, der aus dem Pulver einer Tütenzwiebelsuppe, einer Dose fettreduzierter Sahne und einem Schuss Essig zusammengerührt wurde? Und weil man so schön viel Fett gespart hat, darf man auch guten Gewissens Chips reintauchen. Buääääääh! Die Zutaten findet ihr übrigens easy-piesy im Supermarkt: Die Hersteller der Onion Soup und Reduced Cream werben nämlich mit dem Aufdruck For the Original Kiwi Dip auf der Verpackung …
8. Spaghetti on Toast
Lässt sich der Dip noch steiern? Und wie! Man nehme: eine Dose Spaghetti und eine Scheibe Toast, fertig ist die Pseudo-Pizza. Ja, es gibt tatsächlich fertig abgekochte Dosenspaghetti in Tomatensauce, die durch ihr ausgiebiges Soßenbad problemlos auch von Zahnlosen gegessen werden können. Das Weißbrot, auf das man sie gießt, natürlich sowieso. Das Ergebnis wird nicht unbedingt besser dadurch, dass man das Matschbrot mit Käse bestreut und kurz in den Grill legt.
9. Mince & Cheese Pie
In Neuseeland grenzt es an ein Wunder, wenn eine Bäckerei anständiges Brot verkauft. Aber garantiert gibt es eine Warmhaltevitrine, in der ein paar Pies aufgebahrt liegen. Wenn man Pech hat, schon seit dem Vortag… Im Grunde findet man die etwa handtellergroßen Gebäckstücke aber überall: an Tankstellen, in Bars, in jedem Take-Away. Sie sind also immer da, wenn einen plötzlich der Hunger überkommt. Dass ihre Füllung oft an Hundefutter erinnert, ist dann nebensächlich. Da man sie, um eine Riesensauerei zu vermeiden, ohnehin ratz-fatz herunter schlingt, fällt einem die Konsistenz der Füllung meist auch gar nicht weiter auf.
Die Jäger des verlorenen Schmatzes jedenfalls sind in Neuseeland sehr schnell pie-süchtig geworden… Marmite finden wir inzwischen auch recht lecker und Hokey Pokey kann man sowieso nur lieben.
Reicht aber trotzdem noch lange nicht für die volle Punktzahl…
Und wie ist euer Score? Welche dieser von Neuseeländern geliebten Schmankerl würdet ihr nicht herunterbringen, geschweige denn vermissen, wenn ihr auf Weltreise wärt? Was davon weckt womöglich spontan euren Appetit?
Haben wir etwas total Typisches vergessen? (Es sollte etwas sein, das alles Nicht-Neuseeländer schaudern lässt!)
Wir freuen uns auf eure Kommentare!
Mit diesem Beitrag nehme ich Teil an der Blogparade von Flocblog „Reisefood – Dein Essen ist nicht mein Essen“.
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