Manche nennen Ceviche – sprich [seh-wi-tsche] – das „peruanische Sushi“. Aber obwohl auch bei dem peruanischen Nationalgericht roher Fisch die Hauptrolle spielt, ist das nicht ganz korrekt — die Fischhappen sind bei Ceviche nämlich nicht mehr roh, sondern wurden in Limettensaft kalt gegart. Das heißt: Die Säure der Limette lässt das Eiweiß des Fisches gerinnen, dadurch wird das Fleisch fester. Der ausgetretene Fischsaft färbt sich dabei weiß, das wird dann Tigermilch genannt.
Wir lieben Sushi. Außerdem sind wir extrem neugierig was neues, also: uns unbekanntes, Essen angeht. Seit wir davon gehört hatten, dass in Kreuzberg eine Cevicheria eröffnet hat, wollten wir da mal hin. Hat dann leider doch etwas länger gedauert. Aber jetzt!
An einem Freitag, 18:30 Uhr: Obwohl es noch früh ist (wir wollen anschließend ins Kino), ist das kleine Restaurant gut besucht. Zum Glück haben wir reserviert. Wir werden sehr freundlich und mit einem charmanten spanischen Akzent begrüßt.
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Die Karte ist überschaubar. Als Hauptspeise gibt es drei Sorten Ceviche (Fisch, Thunfisch, Fisch & Meeresfrüchte), gegrillter Pulpoarm und ein vegetarisches Gericht. Außerdem fünf Vorspeisen, die allesamt so verlockend klingen, dass wir unseren Plan, heute Abend Ceviche und nichts als Ceviche zu probieren, kurzerhand über den Haufen werfen.
Wir bestellen Kartoffeln mit Huancaina Sauce (5 Euro), kalten Kartoffel-Rote Beete-Kuchen mit Avocado, geräucherter Forelle-Mousse, Lachskaviar und Meerrettich (9 Euro) und das (die?) gemischte Ceviche (12 Euro). Außerdem ein Glas portugiesischen Vinho Verde (4,50 Euro) und peruanischen Sauvignon Blanc (5,50 Euro).
Bis die erste Vorspeise vor uns steht, dauert es eine dreiviertel Stunde. Der Wein kam zum Glück schneller, was allerdings zur Folge hat, dass wir zu diesem Zeitpunkt ziemlich angetütert sind. Und einen solchen Bärenhunger haben, dass wir die Kartoffeln, über die reichlich gelbe Sauce gegossen wurde, mehr oder weniger herunterschlingen. Optisch macht diese Vorspeise nicht viel her, schmeckt aber ganz interessant: leicht sämig, intensiv nach Paprika und dezent nach Käse. Der Co-Jäger ist deutlich begeisterter, offenbar weiß er auch ausgehungert feine Geschmacksnuancen zu schätzen.
Später lese ich, dass Huancaina aus Paprika, Schafskäse, Milch und zerbröselten Crackern zusammengerührt wird. Wirklich: interessant! Auf dem Foto zum Rezept wird sie allerdings mit blauen Kartoffeln serviert – im Heimatland der Knolle gibt es sicher ein paar hundert Spielarten mehr für dieses Gericht als hierzulande. An diesem Abend erfüllt es vor allem seinen Zweck: Es sättigt.
Die zweite Vorspeise ist nämlich der absolute Knaller. Und unsere Mägen inzwischen so weit besänftigt, dass wir sie genießen können. Der Kuchen besteht aus je einer Schicht Kartoffel-Rote Bete-Pürree, Avocado und Forellenmousse, gekrönt mit einem Rote Bete-Chip. Die vier Aromen ergänzen sich auf eine unglaubliche Weise absolut perfekt. Wir lassen die Cremehappen auf der Zunge zergehen und knabbern dazu den Chip. Ab und zu säbeln wir kleine Bissen von der hauchzart geschnittenen, rohen Rote Bete ab, zu der der Lachskaviar wiederum großartig passt. Die Sahne-Kleckse lassen den Meerrettich nur erahnen, was aber vielleicht gerade gut so ist. Ich sage „vielleicht“, weil ich auch nie auf die Idee gekommen wäre, die anderen Geschmäcker dieser sensationellen Vorspeise zu kombinieren und ich Schärfe grundsätzlich gerne mag. Also: wer weiß?
Ceviche ist ursprünglich ein Arme-Leute-Gericht, das entstand, weil die Fischer auf dem Meer keine Kochgelegenheit hatten. Deshalb „garten“ sie ihren Fisch mit Limetten, die sich problemlos auf See mitnehmen ließen. In Südamerika wird Ceviche à la minute zusammengerührt, rohe Zwiebeln und frischer Koriander dazu, und sofort gegessen.
Klingt nach einem Gericht, das blitzschnell zuzubereiten ist. Inzwischen ist es allerdings halb acht und wir müssen uns sputen, damit wir es rechtzeit zu unserem Film, für den wir bereits Karten gekauft haben, schaffen. Die nette Kellnerin entschuldigt sich zum dritten Mal, dass es nicht schneller ging, als sie uns die Ceviche bringt.
Auf den ersten Blick sieht die Portion ein bisschen klein aus: ein paar Happen weißer Fisch (Tilapia), Pulporinge, Garnelen, dazwischen reichlich grob geschnittene Zwiebeln, Chilistreifen und Koriander. Aber sie hat es echt in sich. Wir sind anschließend ratzeputz satt und ich glaube, bei dem intensiven Aroma wäre mir eine ganze Portion zu viel gewesen.
Geschmacklich ist Ceviche – zumindest so, wie wir sie an diesem Abend serviert bekamen – nämlich eine Bombe. Fischig, salzig, sehr sauer und scharf. Großartig! Nach ein paar Happen steht uns der Schweiß auf dem Nasenrücken, und als wir aufgegessen haben, fühlen wir uns wie elektrisiert.
Ins Kino haben wir es dann auch noch geschafft. „Hail Cesar“ von den Cohen-Brüdern war mit seiner oft skurrilen Situationskomik der perfekte Abschluss des Abends. Oder lag es etwa am Wein, dass wir ihn so witzig fanden?
Apropos Alkohol: Ceviche soll eine gute Basis sein, bevor man feiern geht, und auch gegen den Kater am nächsten Tag helfen. Ganz so viel haben wir zwar nicht getrunken, der Brummschädel blieb uns in jedem Fall erspart. Aber nicht, dass jetzt einer sagt: „Achso, der peruanische Rollmops ist das also!“
Cevicheria, Dresdner Strasse 120, Berlin-Kreuzberg
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- Ceviche selbst machen: super einfach, super lecker und es pustet die (verkaterten) Synapsen ordentlich durch
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