Kaum hatte ich das erste Mal vom Muttonbird gehört, da wurde ich auch schon vor ihm gewarnt. „Das ist ein Vogel, der nach Schaf schmeckt“, erzählte mir Shannon Campbell, ein neuseeländischer Koch, der in Berlin das The Dairy betreibt. „Er wird nur von ganz wenigen Leuten zubereitet und kann sehr streng und fettig schmecken. Aber wenn man es richtig macht, ist er einer Delikatesse.“ Sofort notierte ich den Muttonbird ganz oben auf der Liste der Gerichte, die ich in Neuseeland unbedingt probieren möchte. Ich kann da gar nichts gegen machen: Die Kombination „typisch neuseeländisch“, „selten“ und „ungewöhnlich“ ist einfach unwiderstehlich. Shannon wusste sogar, wo der Piepmatz auf der Speisekarte steht: Im „Fleur’s place“ am Hafen von Moeraki.
Die meisten Touristen kennen nur die Moeraki Boulders – runde, mit einem netzartigen Muster überzogene Felsen, die wie angespült am Strand liegen und besonders bei Sonnenaufgang ein sehr schönes Fotomotiv abgeben. Um sie zu sehen, muss man etwa eine Stunde nördlich von Dunedin nur kurz vom Highway abfahren, der hier mehr oder weniger an der Küste entlangmäandert. Das Fischerdorf Moeraki liegt etwa drei Kilometer südlich davon und bleibt von den Reisebussen verschont, die nur für einen Fotostopp und bestenfalls noch Lunch am Visitor Centre direkt an den Boulders halten. Und das ist ein großes Glück.
Mit seinen hübschen kleinen Häuschen, den Fischkuttern, die in der kleinen Bucht vor Anker liegen, und dem in der Sonne (die endlich scheint!) türkisblau leuchtenden Wasser fühle ich mich ein bisschen an Griechenland erinnert. Was durch die überraschende Wärme und die gemächliche Ruhe, die an diesem langen Wochenende herrscht, noch verstärkt wird. Wir bleiben gleich zwei Nächte auf dem schönen Campingplatz mit Meerblick, auf dem wir beim Einschlafen in unserem Bus die Wellen rauschen hören. Am nächsten Vormittag, nachdem die schneller als wir Reisenden ausgecheckt haben, sind wir die einzigen Touristen weit und breit.
Bevor ich im „Fleur’s Place“ bestelle, werde ich ein zweites Mal gewarnt, dieses Mal von der Kellnerin: Die Muttonbirds seien in diesem Jahr sehr mager. Der auf der Karte angebotene halbe Vogel ($14) sei also nicht mehr als ein Entree. Das reicht zum Probieren, entscheide ich. Falls der Koch es verbockt, habe ich wenigstens keine $28 für etwas Ungenießbares ausgegeben.
Wäre an den beiden dekorativ aufeinander gestapelten, mit grünem Blattgemüse gekrönten und mit Kartoffeln und grüner Soße umringten Vierteln, die mir schließlich serviert werden, nicht noch die Haut dran, ich hätte sie auf den ersten Blick für bereits abgenagt gehalten. Der Vogel hat tatsächlich so wenig Fleisch auf den Rippen als hätte in Neuseeland eine Hungersnot geherrscht. Anfangs versuche ich noch mit Messer und Gabel die feinen Fasern unter der erstaunlich festen Haut (die vermutlich mangels Fett nicht kross gebacken ist, weshalb ich sie nicht mitessen mag) freizulegen und abzuschaben. Aber das entpuppt sich als etwa so sinnvoll wie Weintrauben mit Fäustlingen zu essen. Mit den Fingern kann ich wenigstens ertasten, an welchen Stellen noch etwas Essbares an dem Gerippe hängt.
Und trotzdem: Es lohnt sich. Das Fleisch des Jungvogels, der übrigens ausschließlich von Maori und vor allem auf Stewart Island gefangen wird, ist dunkel und feinfaserig. Und es schmeckt intensiv salzig – und fischig. Nach kurzem Überlegen komme ich drauf, an was es mich erinnert: Sardellen! Keine Spur von Hammelaroma. Nachdem ich etwa zwanzig Minuten an meinem Vogel herumoperiert habe, sind etwa zwei Esslöffel voll in meinen Magen gewandert. Was auch völlig ausreicht, der Geschmack ist wirklich äußerst markant, dagegen hat die grüne (Kräuter?)sauce keine Chance.
Leider stellt sich ein paar Stunden später heraus, dass auch magere Vögel fettig sein können: Der muttonbird liegt mir wie ein Stein im Magen. Und sein ganz spezielles Aroma materialisiert sich den ganzen Tag über immer wieder auf meiner Zunge.
Fleur’s Place
169 Haven Street, Moeraki, Tel. 03-439 4480, www.fleursplace.com
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