Sechs Monate lang war Flo mit seiner mexikanischen Freundin und Baby während der Elternzeit in Mexiko und hat dank Familienanschluss so einiges entdeckt, was normalerweise unter dem Touristenradar bleibt. Wir haben ihn gebeten, für uns mal ein paar seiner kulinarischen Entdeckungen aufzuschreiben. Und er hat gleich losgelegt mit seiner Schwärmerei… nicht nur vom Essen.
Mexiko ist ja ein sehr großes Land. Welche Regionen habt ihr besucht?
Anfangs waren wir in Mexico City, wo Verwandtschaft meiner Freundin lebt, und haben Ausflüge z.B. nach Teotihuacán und Tepotzotlán gemacht. Danach waren wir einige Zeit in Puebla, der Heimatstadt meiner Freundin, am Fuße des Popocatépetl. Gerade in der Altstadt, ein UNESCO Weltkulturerbe, kann man unendlich viel entdecken. Von dort aus haben wir Tagestouren in die umliegenden Dörfer gemacht, beispielsweise nach Cholula, Atlixco oder Chipilo. Einen ganzen Monat haben wir in der Region Oaxaca verbracht, dort hatten wir uns am Stand von Mazunte ein Haus gemietet. Von dort sind wir mit einem Flugzeug, in dem gerade mal zehn Personen Platz fanden, über den Dschungel nach Oaxaca Stadt geflogen. Oaxaca ist eine der schönsten und farbenfrohsten Städte Mexicos. Dort haben wir auch den „Dia de los muertos“ [Anmerkung: Feiertag am 2.11.] gefeiert. Anschließend ging es für uns weiter in die Region Nayarit, nach Rincón de Guayabitos und schließlich sind wir noch nach Merdida auf der Yucatan-Halbinsel geflogen und haben von dort aus die Ausgrabungsstätten Chichen Itza und Uxmal besichtigt. Weihnachten und Neujahr haben wir dann wieder in und um Mexico City und Puebla verbracht und haben auch einen Ausflug nach Tlalpujahua gemacht. Das ist ein einziges, großes Weihnachtsdorf, in dem Weihnachtsdekorationen in Handarbeit hergestellt und in Hallen verkauft werden.
Von mexikanischen Restaurants in Deutschland kennt man vor allem Tortillas oder Burritos mit viel Käse überbacken. Welche Erwartungen an das Essen hattest Du vor eurer Mexiko-Reise?
Burritos sind eher TexMex Food und finden sich auf den Speisekarten in Mexico eher selten. Ich wusste aber von der Vorliebe für Grashüpfer der Mexikaner. Daher war das mein erster Essenwunsch in Mexiko City. Ansonsten bin ich sehr offen für jede Form von Essen nach Mexico geflogen und wollte möglichst viel probieren. Glücklicherweise ist ein Teil der Familie meiner Freundin ähnlich offen für kulinarische Erfahrungen und konnte mir diverse Hotspots zeigen.
Womit hat Dich Mexiko kulinarisch überrascht?
Was ich absolut nicht erwartet hatte, ist die Vielfalt an artisanalen Bieren. Ebenfalls überrascht hat mich die Herstellung von Mezcal. Das ist echte Handwerkskunst. Aber mein persönliches Lieblingsgetränk ist Pulque. Es ist leider nur in Mexiko erhältlich ist, da es nicht lagerfähig ist. Das mit Abstand beste alkoholische Getränk meines Lebens! Pulque wird aus fermentiertem Agavensaft hergestellt. Dazu muss die Agave mindestens 10-15 Jahre alt sein und eine Blüte ausbilden. Diese wird herausgeschnitten und man lässt das Herz der Agave bluten. Dieses Blut wird ausgeschöpft und dann fermentiert. Es entsteht ein leicht dickflüssiges Getränk – das Bier der Indios. Je länger es reift desto höher der Alkoholgehalt und umso dickflüssiger. Nach etwa einer Woche „kippt es um“ und ist nicht mehr genießbar.
Mexiko City, Puebla, Oaxaca, Yucatan Halbinsel – das steht auch alles auf dem Wunschzettel für unseren Mexiko-Roadtrip! Hast Du konkrete Empfehlungen für uns?
Mexico City: bietet kulinarisch so ziemlich alles
Wenn ich an das Essen in Mexico City denke, fällt mir spontan das Restaurant Arroyo ein. Groß wie ein Fußballfeld, mit eigener Stierkampfarena, einer unglaublichen Geräuschkulisse und diversen Mariachi-Bands. Dort isst man insbesondere Barbacoa [Anmerkung: große Fleischstücke, die ursprünglich in Erdgruben gegart wurden] und bestellt das immer kiloweise. Dazu gibt es Beilagen, wie z. B. Ameiseneier in Butter geschwenkt. Maistortillas und diverse Salsas werden selbstverständlich dazu serviert und ständig nachgereicht. Auf einen Platz mussten wir dort allerdings anderthalb Stunden warten.
- Groß wie ein Fußballfeld, sehr laut und sehr gut: Restaurant Arroyo
Ich erinnere mich an ein gehobenes Restaurant in dem ich erst eine Pasta mit Kakerlaken der Meere (cucaracha de mar) gegessen habe. Weils es so verdammt lecker war habe ich im Anschluss noch eine Mole aus Ameisen (mole de hormiga) mit Pilzen bestellt. Fantastisch!
Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist das Restaurant Los Arcos. Neben der Tatsache, dass man beim Warten auf einen Tisch umsonst Bier trinkt, gab es hier unfassbares Seafood. Eine gemischte Platte mit verschiedenen Ceviche, Austern und diversem anderen Meeresgedöns als Vorspeise und anschließend einen gegrillten Fisch, dass einem die Augen übergehen.
- Es gibt mehrere Filialen des familiengeführten Restaurant Los Arcos in Mexico City
Ansonsten habe ich in Mexico City natürlich Tacos, Tacos und Tacos gegessen. Als Streetfood, Fastfood und gerne auch im Restaurant La Casa del Pastor.
- Eine Institution in Mexico City: La Casa del Pastor
Im Dezember sind wir ins Weihnachtsdorf Tlalpujahua gefahren, eine echte Empfehlung. Die Weihnachtsdekorationen werden in Handarbeit hergestellt, es gibt Weihnachtskugeln zu jedem erdenklichen Thema. Hier erinnere ich mich an die Tacos de Cabeza (Kuhkopf). Der Kuhkopf wird über Nacht auf heißen Steinen in einem Erdloch gart, bis das Fleisch quasi von allein vom Kopf fällt. Diese Tacos gibt es nur früh morgens!
Und natürlich darf man es nicht versäumen, die Märkte in Mexiko zu besuchen. Besonders beeindruckt haben mich in Mexico City der Mercado de San Juan Pugibet und der Mercado de Coyoacan [Anmerkung: In Coyoacan ist Frieda Kahlo aufgewachsen, ihr Elternhaus, das „casa azul“, ist heute ein Museum]
Puebla: Essen in Nationalfarben, Heimat der Mole Poblano, Chia-Würmer und mexikanischer Döner
In Puebla ist mir insbesondere ein Gericht in Erinnerung geblieben, das traditionell nur um den 15. September serviert wird: Chiles en Nogada. Der Dreiklang der Nationalfarben aus grüner, gefüllter Chili, weißer, süßlicher Nusssoße und den roten Kernen des Granatapfels. Das ist insgesamt ein Thema das mich an Mexico fasziniert hat, der Stolz und die Identifikation auf die eigene Kultur. Das spiegelt sich im gesamten Leben der Mexikaner wider. Das Essen greift oft und gerne die Nationalfarben auf: grüne und rote Salsas, Chilis und Tomaten, kombiniert mit Zwiebeln, Limetten und Koreader.
Ein anderes Essen hat mich in Puebla ebenfalls schwer begeistert. Zu bestimmten Jahreszeiten besiedeln verschiedene Würmer unterschiedliche Pflanzen. Im September wird ein Wurm gesammelt, der ausschließlich auf Chia-Pflanzen sitzt. Er wird frittiert oder gebraten und schmeckt sehr lecker.
Außerdem gibt es in Puebla eine Art Dönerkette – La Oriental. Ein Muss, wenn man in Puebla is(s)t – nicht nur für Berliner. Dort bekommt man jede Menge Fleisch in verschiedenen Brot- oder Tortillavariationen, mit oder ohne Käse überbacken.
- Seit 81 Jahren bereiten die Inhaber des Restaurants La Oriental bereits „Tacos Arabes“ (wie sie das Gericht dort nennen) zu.
Puebla ist auch die Heimat der Mole Poblana: eine würzige Schokosoße mit Reis und Huhn. Das ist meine persönliche Lieblingsform der Mole, die in Mexiko in unzähligen Varianten zubereitet wird. Wobei die Mole die Hauptspeise ist und Reis und Huhn eher als Beilage fungieren. Die Soße macht sehr satt!
- Sehr gut isst man zum Beispiel im traditionellen El Mural de los Poblanos. Und im El Anafre Rojo werden traditionelle Rezepte bewahrt, die zum Teil aus der prä-kolumbianischen Zeit stammen. Dort bekommt man neben Mole Poblano auch Mole Rosa und Pipian Verde.
Region Oaxaca: Mezcal-Farmen und Ceviche satt an der Küste
Am Strand von Mazunte habe ich quasi nur noch Ceviche gegessen. Dazu eigentlich immer eine frische Guacamole mit Tortilla-Chips und ein erfrischendes Bier, eine Michelada [Anmerkung: eine Art Bloody Mary nur auf Bier-Basis] oder einfach eine frische Kokosnuss.
- Meine Restaurant-Tipps für die Küste: La Cuisine in Mazunte und El Alquimista im Nachbarort Zipolite, wo man direkt am Strand isst, die Füße im warmen Sand.
Oaxaca ist die Heimat des Mezcal. Immer und zu jedem Essen habe ich den getrunken. Mezcal ist die hübschere Schwester des Tequilla. Aufwändiger in der Produktion (wir haben uns einige Mezcal-Farmen angeschaut). Vielfältiger und leckerer.
- Tamales, Mole, Mezcal und Live-Musik in Oaxaca-Stadt: Im Zandunga Sabor Istmeño hat es uns gut gefallen.
Region Nayarit und Yucatan Halbinsel: Noch mehr Ceviche und Meeresfrüchte
Die Natur in Rincón de Guayabitos in der Region Nayarit fand ich mindestens genauso beeindruckend und schön wie in Mazunte. Allerdings ist es touristisch deutlich erschlossener. Kanadier und US-Amerikaner verbringen hier gerne die Wintermonate. Und an den Wochenenden kommen hier auch viele Mexikaner her, um etwas Zeit am Strand zu verbringen. Wie überall am Strand gab es auch hier jede Menge Seafood. Ich bin ein Fan von Ceviche, daher war das auch hier meine Hauptnahrung. Das hat sich dann auf der Yucatan Halbinsel fortgesetzt, wo es neben Seafood dann aber auch gerne und viel Fleisch gab.
Wow, Du scheinst Dich tatsächlich einmal quer durch Mexiko gefuttert zu haben. Hat Dir auch mal etwas nicht geschmeckt?#
Die Cemitas mit Schweinefuß waren für mich gewöhnungsbedürftig. Das ist ebenfalls ein typisches Streetfood in Mexico, vergleichbar mit belegten Brötchen vom Bäcker, nur kreativer. Ich habe die Variante belegt mit einer Art Sülze aus Schweinefuß und -hufe probiert. Die Konsistenz und der Geschmack waren nicht so ganz meins.
Was hat denn Dein Magen zu Ameisen, Würmern und Chili-Schärfe gesagt? Hat Dich irgendwann auch mal Montezumas Rache erwischt?
Ich wurde gewarnt, mit meinem europäischen Magen lieber auf Streetfood von irgendwelchen Tacoständen zu verzichten. Hab ich aber nicht. Die Tacos waren fantastisch und sind mir sehr gut bekommen!
Wenn man so lange auf Reisen ist, erleidet man ja manchmal eine Art kulinarische Überdosis. Gibt es ein Gericht, das Du nach eurer Rückkehr nicht mehr sehen konntest?
Es ist eigentlich eher umgekehrt. Ich vermisse viel von dem was ich in Mexico gegessen habe. Selbst Tacos, die ich wirklich sehr oft gegessen habe, gibt es in zahlreichen Variationen und ich esse sie immer noch sehr gerne. Das gilt auch für typisch mexikanische Gerichte wie Empanadas oder Tamales. Insgesamt muss man festhalten: Die Mexikaner essen gerne und viel Fleisch und Weizenprodukte. Sie essen auch eher ungesund, trinken sehr viel Cola und Alkohol. Sie zählen nicht umsonst zu den Nationen mit einem hohen Anteil an Personen mit Übergewicht. Aber wer möchte, kann sich fast nirgendwo gesünder ernähren als in Mexico. Die Vielfalt an frischen und gesunden Zutaten ist endlos.
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