Eine Messe, bei der Männer „direkt auf Tuchfühlung zu saftigen Ribeye Steaks vom Wagyu (…) oder zartem Strip Loin vom US Bison“ gehen können und sich dabei sogar „vielleicht verlieben“? Na, das klingt doch vielversprechend. Gerade weil ich als Frau offenbar nicht zur Zielgruppe gehöre (klar, ich esse nur Salat). Und weil ich sehr neugierig auf den Typ Mann bin, der Lust hat, auf einem Messestand mit Frischfleisch anzubandeln.
Abgesehen davon waren meine Erwartungen an das“eat & STYLE“ Food-Festival, das am vergangenen Wochenende erstmals in Berlin stattfand, recht gemischt. Essen – da bin ich natürlich sofort dabei. Aber was hat es mit dem groß geschriebenen STYLE auf sich? Weder stehe ich stundenlang vor Kleiderschrank und Spiegel, bevor ich mich an den Herd stelle, noch kann ich diesen Tellergemälden oder manchmal regelrechten Installationen viel abgewinnen, bei denen ich mich immer frage: Sollte man das jetzt lieber in eine Vitrine stellen? So wunderhübsch das oft aussieht – Lust aufs Essen macht es mir nicht. Aber: Nicht nur die „Perfect Meat Academy“, sondern auch die Ausstellerliste klang vielversprechend und die Craft Beer Corner äußerst verlockend.
Nachdem ich endlich den Eingang zur Messe gefunden hatte, der sich nahezu unausgeschildert auf einem dunklen Betriebshof befand, wurde ich positiv überrascht. Im Inneren des Backsteingebäudes fand ich mich plötzlich in einer Halle mit hoher Decke und luftiger Stahlträgerkonstruktion wieder. Kein typischer, Kopfschmerz verursachender Messemief nach neuem, eilig verlegten Teppich störte den Geruchs- und Geschmackssinn. Dazu war erfreulich wenig Andrang. Vielleicht lag es daran, dass ich den Freitagabend gewählt hatte, an dem bis 22 Uhr geöffnet war. Und das Beste: An vielen Ständen wurde man zum Probieren eingeladen.
Ich knabberte Bio-Chips mit Ingwer-Zitrone- und Crema Catalana-Aroma (ersteres: hui!), nippte an einem Haselnussbrand (wunderbar mild auf der Zunge, nussig-süßlich, würzig, wärmend und irgendwie weihnachtlich), lernte 50 neue alte Kartoffelsorten kennen (schon mal von Kachon Huaccachi gehört?), probierte ein sehr fruchtiges Pale Ale aus Berlin, das auf meiner Zunge Gewürzaromen tanzen ließ, und ein saftiges Helles vom selben Braumeister und folgte schließlich dem Geruch nach frisch angebratenem Fleisch zur „Men’s World“.
Hinter dem Kochtresen: kunstvoll tätowierte Männer mit Rockabilly-Frisuren. Davor: etwa zur Hälfte Männlein und Weiblein, die ich jetzt bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße nicht dem extrem karnivoren Typus zugeordnet hätte. Aber gut, ich stand da ja auch. Und kam gerade rechtzeitig zum Programmpunkt „Motorcycle & Tattoo“. Motorräder sah ich zwar nicht, dafür wurde am Stand live tätowiert. „Meins“ oder auch „100% vegan“ auf zartrosa Filetstücke, die zuvor im Vakuumierbeutel in 56° C warmem Wasser sehr sehr langsam gegart worden waren. Sah anschließend nicht so schick aus wie die Unterarme der Köche, aber das Publikum riss sich darum, es auch mal versuchen zu dürfen.
Ich habe dann allerdings ein Stück ohne Aufschrift probiert, dafür mit in Whisky geschwenkten Bratkartoffeln (wenn ich mich nicht verhört habe, geschmeckt habe ich ihn nicht) und Petersilienöl aus der Zentrifuge (das ich vom Aroma her nicht so spektakulär fand wie angekündigt). Aber das Fleisch! Butterzart wäre untertrieben. Es zerging auf der Zunge wie eine reife Birne und setzte dabei feine Röstaromen frei, die allerdings kurz darauf von einer ordentlichen Schärfe von meiner Zunge gefegt wurden. Die Herren von der Kochbox mögen es pfeffrig.
Schräg gegenüber, an der „Perfect Meat Academy“ war der letzte Workshop mit dem Fleischexperten Lucki Maurer (Koch, Wagyu-Rinder-Züchter und Autor für „Beef“) leider schon zu Ende gegangen. Ich entdeckte ihn dann aber (seinem markanten roten Bart sei Dank) auf der Hauptbühne in der hinteren Halle, wo er mit dem argentinischen Starkoch Chakall (Markenzeichen: Turban) Fleisch brutzelte. Kurzer Blick ins Programmheft: Aha – „Argentinian Beef Culture“. Ich ergatterte ein Probiertellerchen: zwei für meinen Geschmack noch ziemlich rohe Happen, die deutlich mehr Kauleistung verlangten als das Fleisch gerade eben (ok, das ist Jammern auf hohem Niveau), dazu eine kräuterige Sauce, die leider ein wenig strohig war und im Hals kratzte.
Zurück blieb ein Pappteller mit einer blutigen Pfütze. Wohin damit? Mein suchender Blick schweifte über den kleinen Stand direkt vis-a-vis, der vegetarische Würste verkaufte, und kreuzte den Blick des zur späten Stunde einsam und unbeschäftigt herumstehenden Standinhabers. Wäre dies ein Zeichentrickfilm, die folgende Sekunde hätte sich in Zeitlupe abgespielt: Er sieht meinen blutigen Teller und meine Bewegung auf seinen fleischlosen Mülleimer zu. Bodenloses Entsetzen flutet seine Mine. Doch noch bevor es alle Gesichtsmuskeln erreicht, habe ich meinen Fehler bereits erkannt und ändere meinen Kurs. Blickkontakt Ende. War was?
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