Street Food, das ist eigentlich das Zauberwort für gutes Essen auf Reisen. Einfach zwar, aber frisch zubereitet, absolut authentisch und dabei unschlagbar günstig. Je nachdem, in welches Land man fährt und für wie lange und wie vielseitig (oder eher: limitiert) die Landesküche ist, kann die Verköstigung durch Straßenimbisse aber auch zu spontan entwickelten Unverträglichkeiten führen, zu ungekannten Gelüsten und lebenslangen Déjà-Vus beim Anblick bestimmter Lebensmittel. Wer ein Mal in Mittelamerika war, für den werden Reis und Bohnen nie wieder nur harmlose Sättigungsbeilagen sein …
Vielleicht waren unsere Erwartungen an die marokkanische Küche überzogen. Lonely Planet hatte sie aber auch ordentlich in die Höhe gepeitscht. Im Reiseführer war zum Beispiel die Rede von Rote-Bete-Salat mit Kaffir-Limette und Schnittlauch, Gurken in Orangenblütenwasser, Kürbismus mit Zimt und Honig oder auch Pastilla, eine pikant-süße Tarte aus geschichtetem hauchdünnem Teig gefüllt mit Taube oder Huhn, karamellisierten Zwiebeln, Zitonen, Eiern und gerösteten Zuckermandeln, bestäubt mit Zimt und Puderzucker. Das klang alles ganz schön vielseitig und ziemlich raffiniert.
Natürlich wurde auch der Klassiker Tajine erwähnt und auch darauf haben wir uns gefreut: In dem charakteristischen Tontopf mit kegelförmigen Deckel werden Fleisch oder Fisch zusammen mit Gemüse geschmort; die Gerichte sind meist sehr fein gewürzt und aromatisch. Wir hatten allerdings nicht damit gerechnet, beinahe täglich Tajine zu essen. Ich glaube, an einem Tag aßen wir sie sogar mittags und abends. Auf dieser Reise bekam der Begriff „alternativlos“, den Politiker so gerne im Mund führen, für uns eine ganz neue Bedeutung.
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Dreieinhalb Wochen lang waren wir mit dem Mietwagen in Marokko unterwegs und entschieden dabei spontan, wo wir einen Stopp einlegten und wie lange wir dort bleiben wollten. Wir waren zwar langsam unterwegs – durch die kleine Co-Jägerin hat Slow Travel nochmal eine ganz eigene Entschleunigung erfahren – aber aßen naturgemäß oft on the road und in uns unbekannten Städten.
Bald führten wir Gespräche wie dieses: „Ich krieg langsam Hunger.“ – „Was wollen wir denn heute essen?“ – „Nicht schon wieder Tajine!“ – „Aber Omelette hatten wir schon heute mittag.“ – „Vielleicht finden wir ja einen Stand, der Suppen verkauft.“
Nein, das marokkanische Street Food ist leider kein kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht, sondern dient in erster Linie der Sättigung. Zumindest ist das unser Eindruck nach dreieinhalb Wochen Road Trip durchs Land, der uns immerhin an die Küste, in die Berge und in einige Flusstäler und Oasen geführt hat – also doch recht unterschiedliche Landschaften.
In den Tajines, die wir vorgesetzt bekamen, befanden sich immer Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Oliven und Fleisch (meist Huhn oder Rind, am Meer dann wenigstens mal Fisch). Manchmal entdeckten wir beim Abtragen der meist kunstvoll, wie ein Lagerfeuer geschichteten Zutaten auch anderes Gemüse, das wir dann mit lauten Begeisterungsrufen begrüßten: „Schau mal, Kürbis!“, „Ich hab ’ne Bohne!“ In Taliouine, der Safran-Hauptstadt, aßen wir Tajine, die die üblichen Zutaten enthielt und außerdem mit Safran gewürzt war (und doppelt so viel kostete).
Die wenigen Alternativen: 1. Omelette – und zwar in der Variante „nur Eier“ oder „Berbère“, was so viel heißt wie: mit Gemüse, meist war es leider ausschließlich Paprika. 2. Suppe. Um die zu finden, muss man nach einem Stand Ausschau halten, der irgendwo einen oder mehrere große Blechtöpfe herumstehen hat. Die Töpfe wurden, aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, nicht so gut sichtbar platziert wie die kegelförmigen Schmortöpfe, die man sogar dann entdeckt, wenn man langsam im Auto an den ansonsten meist sehr unscheinbaren Garküchen vorbei fährt.
Manchmal war auch kein Topf zu sehen, aber die Frage „Harira?“ führte trotzdem zum Ziel. Laut Rezept sind die Hauptzutaten für diesen Klassiker der marokkanischen Küche Kichererbsen und/oder Linsen, Tomaten und Zwiebeln sowie eine ganze Reihe frischer Kräuter, ergänzt werden sie manchmal durch Bohnen, Nudeln, Fleisch und/oder gekochte Eier. Wir haben sie auf unserer Reise oft und in ganz unterschiedlicher Qualität gegessen: von dünner Flitzebrühe ohne nennenswerten Geschmack (in einem Touri-Lokal in Essaouira) bis zum fein abgeschmeckten, sättigenden Potpurri aus nicht unbedingt identifizierbaren Zutaten. Unsere Tochter liebt Harira und löffelte sie sich manchmal so gierig in den Mund, dass der Koch ihr lächelnd einen weiteren Schöpfer voll in die Schüssel gab. Oft befanden sich in dem von uns georteten Suppentopf aber auch Eingeweidestückchen in dicker Soße. Ein Gericht, das sich in Marokko offensichtlich deutlich größerer Beliebtheit erfreut als bei uns.
Mit etwas Glück oder genug Zeit, um eine ganze Reihe von Garküchen abzuklappern, kann man auch einen Eintopf finden, der ausschließlich aus Linsen-, Bohnen- oder Kichererbsen besteht. Der macht optisch nicht so viel her wie eine Tajine und manchmal schien der Koch auch die Gewürze vergessen zu haben. Wir haben aber auch positive Überraschungen erlebt, zum Beispiel in einem kleinen Gässchen gleich neben dem Hauptplatz in Taroudannt. Der Koch, ein alter Mann, lud uns dann auch noch zum Thé à la Menthe ein, den er mit weiteren, uns unbekannten Kräutern aufgebrüht hatte.
Überhaupt: der marokkanische Tee! Er schmeckt, auch ohne die Geheimzutaten aus Taroudannt, nicht nur köstlich, er hat auch Zauberkräfte. Morgens machte er uns zuverlässig wach (der im Reiseführer gepriesene starke Kaffee entpuppte sich leider auch als Fata Morgana), spülte mehr als einmal den Geschmack eines faden Essens von unseren Zungen und schaffte es sogar, unsere durch ein besonders großzügig geöltes Omelette überforderten Mägen zu besänftigen.
Vom marokkanischen Street Food brauchen wir hingegen erstmal eine Pause…. Irgendwann, da bin ich mir ziemlich sicher, wird der Appetit auf eine richtig gute Tajine allerdings zurück kommen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, unseren mitgebrachten Tontopf mit dem Kegeldeckel einzuweihen. Und auszuprobieren, ob wir es so hinbekommen, wie es uns der Koch in unserer letzten Herberge, dem netten Hippie-Surfer-Hostel in Sidi Kaouki, erklärt hat.
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*Unsere Route:
Von Casablanca die Küste entlang nach Süden bis Sidi Ifni, dann gen Osten in die Bergregion Antiatlas, das Drâa-Tal und einige Oasen, und schließlich wieder nach Norden, über das Atlasgebirge bis Marrakesch, mit einem Schlenker rüber an die Küste (bis auf Höhe Sidi Kaouki/ Essaouira) und von dort weiter Richtung Norden bis Casablanca.
Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Marrakesch – Reisetipps und Geschichten aus 1001 Nacht“ von Escape from Reality teil.
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