Dieser Mann verkauft etwas, das süchtig macht. Etwas, für das wir 100 Kilometer gefahren sind, um Nachschub zu besorgen. Es heißt Amlou, unser Marokko-Reiseführer nennt es „Berber-Nutella“, und wir haben diese süße Paste mit der leicht körnigen Konsistenz an jedem einzelnen Morgen auf frischem Fladenbrot gegessen. Und zwar ohne, dass wir sie irgendwann über gehabt hätten. Im Gegenteil: Als sich unser Glas bereits im Laufe des Urlaubs dem Ende zu neigte, gerieten wir leicht in Panik.
Denn nur die Argan-Bauern mit ihren kleinen Verkaufsständen entlang der Landstraße N1 südlich von Smimou verkaufen das Original. Ihre Frauen haben es von Hand aus erstklassigem Arganöl, Argan-Honig und fein gemahlenen Mandeln (manchmal auch Erdnüssen statt Mandeln) zusammengerührt. Es enthält weder Geschmacksverstärker noch Stabilisatoren noch Konservierungsmittel und es wurde auch nicht mit anderen Ölen oder Zucker gestreckt (so wie das Amlou, was man im Supermarkt bekommt – was ich leider erst nach dem Einkauf im sehr sehr Kleingedruckten entdeckte).
[nggallery id=20]
Als unser Vorrat zur Neige ging, waren wir bereits hunderte von Kilometern weiter gefahren, tief ins Atlasgebirge. Zwar befanden wir uns noch auf Berber-Gebiet und auch Argan-Bäume wuchsen dort. Man bekam auch noch Arganöl, in fast jedem Ort sahen wir Läden der örtlichen Frauen-Kooperative, die das kostbare Öl direkt vermarkten. Auch Argan- oder Eukalyptus-Honig wurde uns immer wieder angeboten. Nur Amlou sahen wir nirgends.
Vielleicht hat unsere Sucht unterbewusst unsere Routenplanung mitbestimmt. Jedenfalls beschlossen wir, die letzten Urlaubstage an der Küste statt in den Bergen zu verbringen, und zwar in Sidi Kaouki. Von dort, stellten wir irgendwann beim Blick auf die Karte fest, konnte es eigentlich gar nicht mehr weit sein bis zu unserem Verkäufer …
Fast 50 Kilometer waren es letztlich. One-way. Und ich würde gerne behaupten, es sei die Mühe und die katastrophale Ökobilanz wert gewesen. Wir fanden tatsächlich unseren Mann wieder, der erst überrascht war, als ich ihn mit seinem Namen ansprach, dann begeistert in die Verkaufsverhandlungen einstieg und uns nach dem Kauf eines Ein-Kilo-Glases Amlou plus ein Kilo Arganhonig strahlend hinterher winkte.
Am nächsten Morgen aßen wir davon und es schmeckte genau so gut wie wir es in Erinnerung hatten. Doch als wir anschließend unsere Habseligkeiten aus der Herberge ins Auto trugen, riss die Tüte und das Glas zerbrach. Sollte unsere kleine Tochter, die gerade erst das Sprechen lernt, demnächst mit dem Fluchen beginnen: Ich bin schuld.
>> Jäger des verlorenen Schmatzes auf facebook folgen!
Schreibe einen Kommentar