Das artisan bread auf diesem Foto ist nicht schaumstoffmatratzen-weich
Wenn ihr unseren Blogpost aus der Brot-Wüste gelesen habt und euch vielleicht dachtet: „Mann Mann Mann, das geht ja wild zu in Neuseelands Bäckereien“, dann haben wir jetzt ein Schmankerl für euch. Bäckermeister Peter Friese hat uns eine sehr nette Mail geschrieben und ein paar Anekdoten von seinen Neuseelandreisen erzählt, auf denen er in so manche Backstube geschaut hat. Das wollten wir natürlich genauer wissen und haben ihn zum Interview gebeten:
Herr Friese, Sie haben in Deutschland Ihr Bäckerhandwerk gelernt. Hatten Sie denn vor Ihrer ersten Neuseelandreise eine Ahnung, was dort in den Bäckereien verkauft wird?
Das Brot wurde uns im Vorfeld als „sehr gewöhnungsbedürftig“ beschrieben. Dem hatten wir nicht so viel Bedeutung beigemessen, da sich die Menschen dort ja schon viele Jahrzehnte von diesem Brot ernähren.
Wie oft waren Sie schon in Neuseeland?
Zwei Mal für jeweils vier Wochen. Wenn wir vor 25 Jahren mehr Mut gehabt hätten, würden wir heute sogar dort leben… Aber wir waren zu jung und sicherlich auch zu ängstlich, die vertraute Heimat zu verlassen. Als wir dann 2009 endlich das erste Mal Urlaub in Neuseeland machen konnten, waren wir gespannt bis in die Haarspitzen, was uns dort erwartet. Wir hatten uns vorher monatelang in Foren informiert und gechattet und schon Leute kennengelernt, die wir dann besuchten. Es war uns wichtig, nicht auf der Touristenschiene das Land zu bereisen.
Wie war eure erste Begegnung mit den neuseeländischen Backwaren?
Gleich nach unserer Ankunft kauften wir im Supermarkt ein und fanden dort nur Toast vor. Allerdings in einer Vielfalt, die uns die Prophezeihung bezüglich der Qualität erst einmal vergessen ließ. Das getoastete Brot mit Marmelade schmeckte auch echt gut. Nach vier Tagen mussten wir unsere Meinung aber ändern: Wir waren auf einem DoC-Campground, wo es keinen Strom gab, und ungetoastet war das Brot wirklich nicht zu genießen. Wir haben es dann kurzerhand in der Pfanne gebraten.
Begann damit eure Suche nach „richtigem“ Brot?
Bei unserem nächsten Besuch bei NEW WORLD habe ich tatsächlich Rye Bread [übersetzt: Graubrot, Roggenbrot] gefunden. Nach näherem Betrachten kamen mir aber Zweifel, ob ich wirklich das in den Händen hielt, was der Name versprach. Plötzlich stand der Chefbäcker neben mir, der mich und meinen kritischen Blick, wie er sagte, schon eine Weile beobachtete. Er fragte mich, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei mit dem Brot.
Dazu muss man erklären, dass einige neuseeländische Supermärkte eine eigene Bäckerei besitzen.
Ich fragte ihn mit einem Lächeln: „This is rye bread?!“ und sagte ihm auch sofort, dass ich Bäcker bin und einen eigenen Betrieb in Deutschland habe. Etwas verlegen kam dann zurück: „OK, das Brot ist eingefärbt.“ Ich sagte ihm, dass mir aufgefallen sei, wie weich die Brote seien. Daraufhin er: „Strike!“ mit einer entsprechenden Geste. Offensichtlich war er sehr stolz darauf. Ich durfte dann sogar noch mit ihm in die Backstube.
Das war bestimmt spannend.
Als er den Kollegen sagte, dass ich Bäcker aus Deutschland bin, wurde aus den kritischen Blicken sofort ein herzliches Willkommen. Ich habe dann viele Fragen gestellt: Mit welchem Mehl arbeitet ihr, wie fühlen sich die Teige an. Gar nicht so einfach, die gewohnten Fachbegriffe in englischer Sprache zu finden. Aber da wir beide vom Fach waren, ging es.
Und: Was haben Sie herausgefunden?
Die Neuseeländer nehmen viel Milchpulver in ihre Brote, wodurch sie sehr weich werden und auch bleiben. Ich habe während unserer Reise immer wieder das Gespräch mit Kollegen gesucht und musste feststellen: Ein neuseeländischer Bäcker wird daran gemessen, wie weich er sein Brot bekommt.
Das erklärt natürlich einiges… Gab es umgekehrt auch Interesse an der deutschen Backweise?
Ja, schon. Aber wir kamen immer wieder zu dem Schluss, dass dieses typische deutsche Brot zwar Anhänger in Neuseeland findet – es gibt ja auch einige deutsche Bäcker in Neuseeland – aber doch nur ein Nischenprodukt ist. Der Kiwi ist es einfach nicht anders gewöhnt, das haben seine angelsächsischen Vorfahren so mitgebracht. Dazu kommt das Problem der Rohstoffbeschaffung.
Das müssen Sie erklären.
Einige Zutaten sind in Neuseeland einfach nicht zu bekommen, da muss der Bäcker improvisieren. Ein klassisches Beispiel ist Laugengebäck. Man kann versuchen, mit Natronlauge zu arbeiten, aber das weicht schon vom bekannten Geschmack ab. Das Laugenkonzentrat kann man nicht so einfach aus Deutschland importieren, weil es als „Gefahrengut“ gekennzeichnet ist und gesondert gelagert und transportiert werden muss. Die Kosten dafür würden Laugengebäck in Neuseeland unbezahlbar machen. Es gibt weitere Produkte, bei denen es ähnlich schwierig wird.
Aber im Improvisieren sind die Kiwis ja eigentlich Meister.
Das stimmt schon. Man könnte jetzt sagen: Früher hat man auch nur mit Sauerteig Brot gebacken. Aber das Geschmacksempfinden ist heute ein anderes als vor 50 Jahren. Auch die Getreidesorten wurden durch Züchtung verändert und den Verbraucherwünschen angepasst. Viele möchten zwar „Brot wie früher“, aber bitte ohne Schwankungen im Geschmack und Volumen. Das geht nicht zusammen. Brot ist eben ein Naturprodukt.
Die Brot-Wüste scheint Ihnen ja trotzdem ganz gut gefallen zu haben, schließlich sind Sie noch ein zweites Mal ans andere Ende der Welt gereist.
In Neuseeland gibt es so viele leckere und schöne Dinge, die das weiche Brot mehr als wett machen. Jeder, der dieses Land kennengelernt hat, würde nicht mehr aufhören mit dem Aufzählen! Ich erinnere mich, dass wir einmal auf einer Aussichtsplattform standen und ich einen Kiwi fragte, ob das nicht gefährlich sei – wegen der Erdbeben. Daraufhin meinte er: „Schau Dich um. Wenn Du einen schöneren Ort findest, um bei einem Erdbeben ums Leben zu kommen, dann zeig ihn mir.“ Dieser Aussage konnte ich nichts hinzufügen.
Das klingt, als hätte auch euch das „Neuseeland-Virus“ voll erwischt.
Das hat es schon vor 25 Jahren… Und wenn alles gut geht, werden wir bald wirklich auswandern. Dann gibt es dort einen guten Bäcker mehr. (schmunzelt)
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