Fettlöser, Verteiler, Rachenputzer, Absacker. Es gibt viele Kosenamen für den Verdauungsschnaps nach dem Essen. In unserer kollektiven Vorstellung ist es total logisch, nach einer fettigen, schweren Mahlzeit mit Alkohol nachzuspülen. Nach dem Motto: Was beim Hausputz hilft, Fettränder zu beseitigen, sollte doch auch im Magen funktionieren. Wenn man sich hierzulande den Magen mit Knödeln, Schweinshaxe oder einem Brathendl vollgeschlagen hat, vertraut man gerne auf einen Obstbrand, der spürbar eine Schneise bis in den Magen hinunter brennt.
Doch der Hochprozentige per se bewirkt eigentlich das genaue Gegenteil: Statt das Essen zu verarbeiten, hat der Körper nun erstmal damit zu tun, den Alkohol abzubauen. Es gibt nur wenige Ausnahmen: Kräuterlikör zum Beispiel hilft tatsächlich der Verdauung. Den absoluten Burner kennen allerdings die wenigsten: Artischocken-Likör!
Bitte wie? Ein Getränk aus diesem seltsamen Gemüse, von dem kaum einer weiß, wie man es zubereitet, geschweige denn isst? In Deutschland fristet das leckere und gesunde Diestelgewächs völlig zu Unrecht ein Schattendasein. Nur bei Menschen, die fettiges Essen schlecht vertragen oder deren Cholesterinspiegel zu hoch ist, gelten sie als Geheimtipp. Allerdings eher in Kapselform. Denn der Likör schmeckt ziemlich bitter – die unbeliebteste aller Geschmacksrichtungen. Bei manchen Menschen weckt das kräuterige Aroma noch dazu Erinnerungen an Hustensaft.
Dabei genügt ein halbes Glas des hochprozentigen Artischockengebräus, um selbst Steine zu verdauen. Behauptet jedenfalls eine italienische Frauenzeitschrift. Ich schwöre ja auf Artischocken als Verdauungshelferchen, seit mir eine viertel Ente aus dem Backofen des Lieblingsösterreichers eine schlaflose Nacht mit fürchterlichem Bauchdrücken bescherte. Als wir daher kürzlich im gut sortierten Getränkehandel Artischockenlikör entdeckten, haben wir einfach mal eine Flasche gekauft. Was Alkohol mit eher ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen angeht, sind wir auch ganz gut im Training, würde ich behaupten: Im Bayrischen Wald haben wir uns im Sommerurlaub an Bärwurz und Blutwurz herangewagt und in einem regionalen Delikatessenladen in unserer Nachbarschaft Pomeranzenlikör gekostet, der unsere Mundschleimhaut kräuselte, so bitter war er.
Jetzt also la dolce vita in Moll: der Artischocken-Kräuter-Likör eines großen italienischen Herstellers im Test.
Geschmacklich hat er uns nicht aus der Komfortzone geholt. Bitter ist er zwar, aber das empfanden wir als sehr angenehm nach unserer Testmahlzeit vom Inder, zu der wir ein bisschen zu viel vom frittierten Ballonbrot aßen. Auch ein wenig süß, aber nicht klebrig, gerade genug, um gefälliger über die Zunge zu gehen. Und als wirksam empfanden wir ihn auch, der Bauch drückte gleich etwas weniger. Dabei hat er nur 16,5% statt der bei Bränden üblichen 40%.
Meiner Recherche zufolge gibt es in Norditalien eine ganze Reihe traditionsreicher, familienbetriebener Distillerien, die aus den grün-braunen Distelgewächsen Liköre und sogar Spirituosen wie beispielsweise Grappa herstellen. Wenn wir in die Gegend kommen, werden wir unsere dolce-vita-Absacker-Testreihe auf jeden Fall fortsetzen. Vielleicht brauen wir uns aber vorher unseren eigenen Rachenputzer. Das Rezept, das ich gefunden habe, klingt jedenfalls super simpel!
Man braucht dafür:
800 g Artischockenblätter
700 g Zucker
1 l Wasser
1 l Alkohol (70%)
Einen großen verschließbaren (Glas)behälter
Glasflaschen zum Abfüllen
Zubereitung:
Die Artischocken waschen, gut trocknen und dann in feine Streifen bzw. Würfel schneiden. Zucker und Wasser in einen Topf geben und unter ständigem Rühren einen Sirup daraus kochen. Alkohol und Artischockenstücke in den zuvor ausgekochten großen Glasbehälter geben, den nicht mehr kochenden Sirup dazu und das Ganze für etwa 20 Tage durchziehen lassen. Nun noch filtern und in Flaschen abfüllen (die man möglichst an einem dunklen Ort lagert). Wohl bekomms!
Schreibe einen Kommentar