Ein Barista in Christchurch erzählte uns, es gebe in Neuseeland mehr Kaffeeröster pro Kopf als irgendwo sonst auf der Welt. Wirklich nachprüfen lässt sich das nicht, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass es stimmt. Immerhin behauptet der Autor des „Ultimative New Zealand Travel Coffee Guide“ dasselbe. Selbst in entlegensten Dörfern (und davon gibt es in Neuseeland einige) findet man Cafés mit teuren Kaffeemaschinen und Mitarbeitern, die diese auch zu bedienen wissen.
Ich habe sogar in einem kleinen, bunten Hippie-Café am hintersten Zipfel von Great Barrier Island einen perfekt gebrühten Espresso bekommen (und dazu ein Stück hausgemachten Bio-Kuchen). Wählt man statt dessen eine Kaffeevariante mit Milchschaum, bekommt man meist ein kunstvolles Ornament hinein geritzt. Oft ist es ein stilisiertes Farnblatt wie auf dem Foto oben.
Und während sich hierzulande noch so mancher mit der Aussprache von „macchiato“ blamiert quält, geben die Kiwis ihrer rabenschwarzen Koffeinspritze einfach eigene Namen:
Short Black: Er ist die Basis für alles und entspricht einem einfachen Espresso („one espresso shot“) mit einer schönen Crema.
Long Black: Bestellt man, wenn man mehr Kaffeedurst hat, aber nicht mehr Koffein wünscht. Hierfür wird der Short Black mit derselben Menge heißem Wasser verlängert. Manche bestellen sich auch einen Short Black plus heißes Wasser in einer extra Tasse und verdünnen sich ihren Long Black nach eigenem Gusto.
Flat White: Die Krönung neuseeländischer Barista-Kunst. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein Capucchino und besteht auch ebenfalls aus einem Drittel Espresso und zwei Drittel Milch. Doch anstelle einer Schaumhaube krönt ihn eine dünne Schicht (daher auch „flat“) cremig-feuchter Mikroschaum. Dieser ist so feinporig, dass er sich beim Trinken unaufdringlich mit dem darunter liegenden Kaffee vermischt.
Vor allem der Flat White ist eine echte Entdeckung! Und – hip-hip-hurra! – seit einigen Jahren macht er auch in Deutschland Karriere, zumindest in den Großstädten. Ich mag meinen Kaffee ja mit Milch und die darf auch gerne ein bisschen fluffig sein. Aber in hiesigen Cafés wird die Milch derart hardcore aufgeblasen, dass der Cappuccino anschließend eine Milchhaube in Bauschaumkonsistenz trägt, die sich beim Trinken trotzig an meiner Oberlippe festklammert, statt dem Kaffee etwas von ihrem Geschmack abzugeben. Sie ist bestenfalls geeignet, um das Getränk etwas länger heiß zu halten, ansonsten einfach nur lästig.
Wellington gilt übrigens als Geburtsort der neuseeländischen Kaffeekultur und nennt sich selbst auch „Coffee Capital“. Die Geburtsstunde liegt allerdings erst zehn oder 15 Jahre zurück. Als stark von Großbritannien beeinflusste Nation war der Tee lange Zeit das Heißgetränk Nummer 1 und wenn man heute von Kiwis in die gute Stube eingeladen wird, dann oftmals immer noch auf eine „cuppa tea“.
Alleine in Wellington gibt es inzwischen jedoch über zwölf Kaffeeröstereien und wer sich für das schwarze Gebräu interessiert, kann eine Foodie-Tour durch die Stadt buchen, bei der der Besuch einer Rösterei auf dem Programm steht, oder einfach in einem der einschlägigen Cafés dem Barista auf die Finger schauen und neugierige Fragen stellen. Die erste Adresse dafür ist die Kaffeerösterei The Flight Coffee Hangar, deren Inhaber sich selbst als „coffee nerds“ bezeichnen und einen Weltklasse-Barista beschäftigen, der je nach Wunsch Bohnen aus den verschiedenen Anbaugebieten der Welt aufbrüht.
Inzwischen haben die kaffeeverrückten Kiwis sogar für ihre Heimat einen Spitznamen: „land of the long flat white“. Ein Wortspiel mit jenem Namen, den die Ureinwohner Neuseeland gaben: Aotearoa – Land der langen weißen Wolke. Bleibt nur noch die ewige Streitfrage zu klären: Waren es Kiwis oder Australier, die den Flat White erfanden?
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