Austern gehören für mich in die Kategorie „Muss man das wirklich essen?“. Aber wie so ziemlich jedes Lebensmittel potenziell Essbare, dessen Verzehr den meisten spontan fragwürdig vorkommt, gibt es immer ein paar Befürworter, die ihr eine langen „Darum!“-Liste verpassen. Typische Totschlagargumente auf solchen Listen: Weil es gesund ist! Weil es jung hält! Weil es ein Aphrodisiakum ist! Oder, natürlich unausgesprochen: Weil es so teuer ist, dass es sich nicht jeder leisten kann – aber ich! Es gibt auch Feinschmecker, die mit dem erlesenen Geschmack der Muschel argumentieren. Obwohl ich mich schon mehrfach in der KaDeWe-Feinkostabteilung herumgetrieben habe, wo man natürlich auch Austern bekommt, hat mich die Aussicht, etwas Glibbriges und womöglich noch Lebendes zu schlürfen, nicht in Versuchung geführt.
Bisher konnte ich also nicht mitreden – vielleicht stimmen ja alle oben angeführten Argumente? Aber auf dieser Reise wird sich das ändern. Auf meiner Liste stehen bereits die Bluff Oysters, deren Saison Anfang März beginnt. Manche behaupten, es seien die besten Austern der Welt, da sie in unglaublich sauberem Wasser vor der Südküste der neuseeländischen Südinsel wachsen.
Jetzt kam es aber doch schon früher zum Erstkontakt:
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In Northland, wo wir die letzte Woche verbracht haben, kann man an so ziemlich jedem Strand Rock Oysters finden. Am Ende einer Bucht gibt es meist Felsen, auf denen sie sitzen. An einem Strand hatten sie sogar einzeln auf Steinen, die im Sand lagen und teilweise kleiner waren als die Muschel selbst, ihr Plätzchen zum Andocken gefunden (Foto!). Sie sind aber auch kleiner als die Austern, die wir in Deutschland kennen: Manche Exemplare, die wir gesehen haben, hatten gerade mal die Größe eines Aprikosenkerns.
Gestern kamen wir in der Maitai Bay, ganz oben auf der Karikari Halbinsel, an: Langer Sandstrand wie aus dem Reiseprospekt, in der Bucht liegen ein paar schmucke Yachten, der zugehörige DoC-Campingplatz hat sich jetzt, zwischen Weihnachten und Neujahr, in eine Zelt-und-Campervan-Kleinstadt verwandelt. Wir bekamen das allerletze freie Plätzchen – aber auch nur, weil die DoC-Mitarbeiterin unser Baby entdeckt hatte.
Am Abend machten wir noch einen Strandspaziergang. Es war gerade Ebbe und am Ende der Bucht lagen die Felsen frei. Als wir näher kamen sahen wir, dass sie über und über mit Rock Oysters bedeckt waren, die so dicht saßen, dass man kaum erkennen konnte, wo die eine aufhörte und die nächste begann. An einigen Stellen waren bereits welche abgeschlagen worden, leere halbe Schalen lagen dort im Sand. Und dann lag da auch noch ein handlicher Stein herum, groß genug, um damit vorwitzig aus dem Austernteppich hervorstehende Exemplare vom Felsen zu hauen. Mit der Hand bekommt man sie nämlich keinesfalls herunter, sie sitzen nicht nur sehr fest, sondern sind auch ziemlich scharfkantig.
In diesem Moment tippten mir Neugierde und Jagdfieber energisch links und rechts auf die Schulter und sagten: „Los jetzt! Das ist die Gelegenheit!“
Es gelang uns tatsächlich, zwei Rock Oysters von den anderen zu lösen, den Rand ihrer Schale (die erstaunlich bröckelig war) vorsichtig abzuklopfen und dann die beiden Hälften mit den Fingern auseinander zu ziehen. Mangels Zitrone haben wir sie einfach pur herausgeschlürft. Für mich schmeckten sie nussig und intensiv nach Meer, während mein Co-Jäger Johannes meinte, das Aroma von Speisepilz auf der Zunge zu haben. Da er schon einmal Austern gegessen hatte, konnte er auch vergleichen: Weniger glibberig und weniger fischig im Geschmack, fand er. Mein erster Gedanke war: Echt lecker! Eine halbe Stunde später, als sich der Geschmack immer noch hartnäckig hinten auf meiner Zunge hielt, war ich mir dessen aber nicht mehr so sicher. Vielleicht wäre ein bisschen Zitrone oder ein Glas kühler Sauvignon Blanc dazu doch gut gewesen.
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