Montenegro steht schon lange auf unserer Wunschliste: Es ist ein kleines Land mit abwechslungsreicher Landschaft, ideal für Slow Traveller wie uns. Und es befindet sich in Europa, also in Reichweite unseres Bullis.
Auf der ITB erzählten mir Montenegriner dann auch noch von Cowboys, die mit ihren Herden durchs Gebirge ziehen. Und dass es in der Bucht von Kotor eine früher militärisch genutzte Halbinsel gebe, auf der Leute hippiemäßig frei campen. Meine Vorfreude war deshalb riesig, als wir letzten Sommer für vier Wochen mit dem Bulli auf den Balkan fuhren – über Slowenien (> zum Reisebericht), Bosnien (> zum Reisebericht) und Kroatien bis nach Montenegro. Womit uns das Land ziemlich überrascht hat, welche verlorenen Schmätze wir probiert und ob wir tatsächlich Cowboys und Hippies getroffen haben, erzählen wir euch hier.
Die Bucht von Kotor: Luxusyachten, Schaumparties und sehr gute Restaurants
Von der Bucht von Kotor haben wir so viel Schönes gehört, dass wir unbedingt unsere ersten Tage in Montenegro dort verbringen wollen. Von Dubrovnik kommend, fahren wir an der Adriaküste entlang – und müssen dann erstmal eine Ewigkeit am Grenzübergang warten. Während wir in unserem Bulli ohne Klimaanlage in der Gluthitze schmoren, braust unsere Vorfreude schon mal voraus. Wir sehen uns einen lauschigen Stellplatz auf der Hippie-Halbinsel finden, unsere Hängematte an einen Baum binden und in einer kühlen Brise am Meer chillen, während die kleine Co-Jägerin Sandburgen baut. Und leckeren, frisch gefangenen (womöglich gar von uns…) Fisch essen.
Aber als wir endlich Igalo, den ersten Ort hinter der Grenze, erreichen, finden wir uns plötzlich in einem Wimmelbild wieder. Ihr wisst schon, diese Bücher, in denen jede Seite bis auf den letzten Quadratzentimeter vollgemalt ist. Nur dass es in unserem Bild etwa 38 Grad im Schatten hat und tatsächlich wimmelt. Auf der Straße, am Strand, im Wasser. Von wegen Geheimtipp. Später erfahren wir, dass entlang der montenegrinischen Adriaküste an vielen Stränden Open Air Schaumparties gefeiert werden. Bis nach Deutschland hat sich das nur noch nicht herumgesprochen, es sind vor allem junge und/oder reiche Russen, die hier feiern. Unsere Hippie-Hängematten-Phantasie zerplatzt wie eine Seifenblase.
Aber erst mal ist unser Hunger größer als der Fluchtinstinkt. Kaum wagen wir uns aus unserem Bulli, treffen wir den ersten netten Einheimischen: Er hilft uns mit dem von Hand auszufüllenden Parkschein und empfiehlt uns ein Fischrestaurant ganz in der Nähe, das wir sonst sicher nicht entdeckt hätten. Dort sitzen wir auf einer schattigen Dachterrasse und essen ganz entspannt und sehr gut zu Mittag: schwarzes Risotto (9 Euro), Muscheln in Bazzara-Sauce (6 Euro) und gegrillten Fisch mit würzigem Kartoffel-Spinat (11 Euro). Aus sicherer Entfernung begucken wir uns das Gewusel am Strand und fragen uns, wie viel Silikon da wohl spazieren getragen wird.
- Das Restaurant Nautilus befindet sich in der Fußgängerzone, die am Strand entlang verläuft, ganz in der Nähe des kleinen Parkes. Die genaue Adresse ist: 9 Obala Nikole Kovačevića. Im Erdgeschoss ist ein Imbiss, der Pizza auf die Hand verkauft. Einfach reingehen und hinten die Treppe hoch in den 1. Stock.
Wir fahren die Landstraße weiter, die sich direkt am Wasser entlang um die Bucht von Kotor herum schlängelt. Entdecken leider keine einsame Halbinsel und kehren schließlich zurück auf einen Campingplatz, den wir unterwegs entdeckt haben. Eine kleine, sonnenverbrannte Wiese, die sich zwischen Landstraße und Meer quetscht. Die Platzwirtin hält uns wild gestikulierend davon ab, uns quer, also so, dass wir vor unserer Schiebetür einen schönen Ausblick haben, zu stellen. Nein, längs müssen wir parken und ihr sofort die 25 Euro Stellplatzgebühr in die Hand drücken. Etwas später wird einen halben Meter neben uns ein großes Wohnmobil eingewiesen. Am nächsten Tag haben wir mehr Glück und haben ein deutsches Pärchen mit T3 als Nachbarn.
Vor unserer Kühlerhaube haben wir (der protestierenden Platzwirtin zum Trotz) ein freies Fleckchen gelassen, auf dem wir unsere Decke ausbreiten und die Campingstühle aufstellen. Dort sitzen wir direkt am Kaimäuerchen, vor uns eine Reihe Feigenbäume, die voller reifer Früchte sitzen, und das Meer. Der Blick über die Bucht ist sagenhaft: Türkisblaues Wasser und ringsum Berge. Ab und zu fährt eine Yacht vorbei, einmal sehen wir ein Kreuzfahrtschiff Kotor ansteuern. Über eine kleine Treppe und einen Steg gelangt man ins Wasser, das die perfekte Temperatur hat und so klar ist, dass die kleine Co-Jägerin auf dem Grund einen „Schatz“ nach dem anderen entdeckt.
- Unser Campingplatz in der Bucht von Kotor befindet sich zwischen Kostanjica und Lipci; die Einfahrt ist schmal und taucht sehr unverhofft nach einer Kurve auf. Es gibt zwei einfache Toiletten und eine Dusche im Freien. 25 Euro pro Nacht und Fahrzeug.
Wir bleiben zwei Tage, in denen leider auch ein Werkstattbesuch anfällt. Der Co-Jäger hat eine eingerissene Manschette am Lenkgestänge unseres braven Bullis entdeckt. Auf dem Campingplatz haben wir Dragan und seine Frau kennengelernt, ein älteres serbisches Ehepaar, das seit 25 Jahren in Deutschland lebt. Dragan hilft uns, eine Werkstatt zu finden, und begleitet uns sogar als Dolmetscher. Für die Reparatur bezahlen wir nur 30 Euro.
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Dragan empfiehlt uns auch ein sehr gutes Fischrestaurant im Nachbardorf, die Konoba Ribar. Dort sitzen wir auf einer Terrasse direkt am Wasser, die Bucht von Kotor zu unseren Füßen, die beiden Inselchen mit den Kirchlein darauf in Sichtweite. Während wir unseren gegrillten Fisch und unser rotes Risotto mit Meeresfrüchten, das einheimische Bier Nikšićko Pivo, ein Glas Chardonnay und eine Apfelsaftschorle genießen, angelt ein Kellner ein paar Meter neben uns Nachschub und ein anderer bringt zwei Gäste mit einem kleinen Ruderboot zu ihrer weiter draußen vor Anker liegenden Yacht. La Dolce Vita auf montenegrinisch!
- Die Konoba Ribar befindet sich in Konstanjica (hier ). Vor dem grauen Steinhaus direkt an der Landstraße steht ein großes Schild; es gibt Parkplätze vor der Tür. Tel. +382 32 373 053.
Auf ins Hinterland: wilder Salbei, schwindelerregende Pässe und Schnaps zum Frühstück
Wir fahren weiter in Richtung Berge, neugierig auf das (hoffentlich) einsamere Hinterland und darauf, ob es in Montenegro auch so schöne freie Stellplätze gibt wie in Bosnien. Die alte Pass-Straße von Kotor führt uns in 25 schwindelerregenden Kehren hinauf auf 1000 Meter über dem Meeresspiegel und präsentiert uns in jeder Haarnadelkurve noch grandiosere Blicke über die Bucht.
Oben angekommen, gönnen wir unserem Bulli eine kleine Verschnaufpause und schauen uns das Angebot des kleinen Kiosks an, der mit einem knallrosa Schriftzug für „HOME MADE PRODUCTS“ wirbt. Vasili, der Mann hinter dem Tresen, begrüßt uns strahlend (was möglicherweise an seinem Arbeitsplatz mit unfassbar schönem Ausblick liegt) und bietet mir erstmal ein Gläschen Lozovača zum Probieren an. Er weiß offenbar, was die Leute brauchen, nachdem sie die Straße hier rauf gefahren sind. Großzügig sehe ich darüber hinweg, dass wir erst 10 Uhr am Vormittag haben, und koste die montenegrinische Grappa-Variante. Ja, doch, davon nehmen wir gerne eine Flasche mit. Und auch vom traditionellen, in Salzkruste gereiften Räucherschinken Prsuta kaufen wir ein üppiges Stück und dazu ein Kilo-Glas vom dunklen Waldhonig.
Auf unserer Karte ist eine Landstraße eingezeichnet, die kurz hinter dem Pass in Richtung Nikšić abzweigt. Sie mäandert durch die Berge und lockt uns mehr als die Schnellstraße über die Hauptstadt Podgorica. Tatsächlich ist sie landschaftlich sehr schön und auch einsam.
Auf einer kleinen Wiese in den Bergen machen wir Mittagspause, das Gebimmel einer Schafherde im Ohr und einen würzigen Duft in der Nase. Er stammt vom wilden Salbei, der um uns herum in riesigen Büscheln wächst. Bevor wir weiterfahren, pflücken wir uns einen schönen Vorrat für den nächsten Berliner Winter (den Gedanken daran schieben wir sofort wieder beiseite) und trocknen die Kräuter in unserer Buskombüse.
Auf der schmalen, kurvigen und teils sogar unbefestigten Straße bummeln wir im zweiten Gang mit 30 km/h Höchstgeschwindigkeit durchs Vorgebirge, vorbei an vereinzelten Häusern, bis wir am Spätnachmittag die Seen bei Nikšić erreichen. Es ist immer noch heiß und wir wollen gerne in Wassernähe campen. Zuerst suchen wir am Südufer des Slansko Jezero nach einem Stellplatz, finden am dicht bewachsenen, steilen Ufer aber nur ein paar wilde Mirabellenbäume. Nach kurzem Stopp zum Pflücken, wenden wir und versuchen unser Glück auf der anderen Seite des Sees.
Dort finden wir tatsächlich ein lauschiges Plätzchen, schnappen uns dann schnell unsere Badesachen und laufen runter zum Wasser. Als wir uns in der Abenddämmerung die Hitze des Tages von den Körpern plantschen, hören wir plötzlich eine Glocke. Kindheitserinnerungen werden wach: Der Eismann kommt! Es ist dann aber nur eine Kuh, die bimmelnd vor ihrer Herde her zum Seeufer läuft. Später ziehen auch noch Schafe an unserem Bus vorbei. Doch, denken wir zufrieden, als wir in unserem Bulli liegen und beim Zirpen der Grillen einschlafen: Montenegro kann auch einsam!
Der Durmitor Nationalpark: Steinpilz-Jagd, endlich mal Regen und der Tara-Canyon im Nebel
Auf einer gut ausgebauten Landstraße erreichen wir sehr schnell den Durmitor Nationalpark. Regen begrüßt uns dort und die Wolken hängen so tief, dass die Berggipfel darin verschwinden. Aber wir wissen ja, dass es sie gibt, denn der Campingplatz in Zabljak wurde uns von anderen Bulli-Reisenden empfohlen. Also freuen wir uns einfach über die erste Abkühlung seit unserer Alpen-Überquerung. Die Sonne wird schon wieder rauskommen.
Vergnügt laufen wir in Gummistiefeln durch ein kleines Waldstück bis zum Schwarzen See und trauen unseren Augen kaum, wie viele Pilze rechts und links des Weges stehen. Auch der See ist wunderschön, wenn auch eher olivgrün als schwarz. Trotz des Wetters spazieren einige Leute am Ufer entlang und als wir dann noch den Bootsverleih und das Imbisshäuschen entdecken, sind wir ziemlich froh, nicht bei strahlendem Sonnenschein und vermutlich entsprechendem Trubel hier zu sein. Auf dem Rückweg kommt ein Bauer mit Traktor und Anhänger an uns vorbei getuckert. Wir halten lächelnd unsere Daumen raus und als er tatsächlich stoppt und uns aufsteigen lässt, juchzt die kleine Co-Jägerin.
Auch in dem kleinen Örtchen Zabljak, das eher Outdoorfans und Backpacker anzieht, also eine ganz andere Klientel als die montenegrinische Adriaküste, gibt es ein richtig gutes Restaurant. Vielleicht auch mehrere, aber wir gehen nur ein Mal essen, und zwar im Restaurant Dvoriste. Rustikal und mit sehr viel Liebe zum Detail eingerichtet, steht hier das Beste aus dieser Region auf der Karte. Die montenegrinische Küche ist nämlich ziemlich vielseitig: Während wir am Meer eher italienische Einflüsse entdeckten, ist sie im Landesinneren deutlich deftiger und erinnert uns an Osteuropa. Das zuerst geräucherte, dann im Tontopf geschmorte Lamm zergeht uns jedenfalls auf der Zunge und der Service ist äußerst aufmerksam. Anschließend bin ich nicht mehr ganz so traurig, dass die geführte Foodie-Tour durch Zabljak, die ein Veranstalter im Ort organisiert, in den nächsten Tagen mangels Teilnehmern nicht stattfindet.
- Unser Tipp: Restaurant Dvorište, in der Ortsmitte von Zabljak, direkt an der Hauptstraße gelegen (Vuka Karadzića Ecke Jakova Ostojića).
Am nächsten Morgen regnet es immer noch. Wir fahren trotzdem zur berühmten Brücke über Europas tiefstem Canyon. Und das Wetter entpuppt sich wieder als Glücksfall. Nebel und Wolkenfetzen umspielen die in den 1930ern erbaute, steinerne Brücke, die sich in mehreren Bögen über die Tara-Schlucht spannt. Ein fast unwirklich schönes Schauspiel. Im strömenden Regen laufen wir bis zur Mitte der Brücke und schauen 160 Meter in die Tiefe. Winzig klein treiben knallrote Gummiboote auf dem türkisblauen Fluss unter uns hinweg. Für Rafting gibt es wohl kein schlechtes Wetter. Und sogar an den Ziplines, die links und rechts der Brücke gespannt sind, sausen ab und zu Mutige über die Schlucht. Trotz des Kampfpreises (10 Euro für den 350-Meter-Flug und etwa zehnsekündigen Nervenkitzel) verzichten wir … und investieren das Geld lieber in eine große Tüte mit getrockneten Steinpilzen, die wir an einem der Souvenierbüdchen entdecken. Sie wurden von ihrer Familie selbst gesammelt, erzählt uns die Verkäuferin.
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Auf dem Campingplatz in Zabljac freundet sich die kleine Co-Jägerin mit Quirin und Salome an, zwei Schweizer Kindern, die mit ihren Eltern Zelturlaub in Montenegro machen. Zur Abwechslung kann sie mal wieder mit Kindern spielen, die (fast) die gleiche Sprache sprechen, und dass die beiden ein bisschen älter sind, ist dabei völlig egal. Als der Regen aufhört und das Grau des Himmels deutlich heller wird, gehen wir spontan zusammen in die Pilze. Zwei Stunden lang kraxeln die Kinder mit uns kreuz und quer durch den Wald, stöbern mit Feuereifer einen Pilz nach dem anderen auf, und reißen sich darum, ihn pflücken zu dürfen, sobald einer von uns Erwachsenen ihn als essbar identifiziert hat. Sogar ein paar schöne große Steinpilze sind darunter! Zur Sicherheit zeigen wir unsere Ausbeute auf dem Campingplatz noch mal unseren Gastgebern, die regelmäßig selbst sammeln gehen. Anscheinend ist das hier in Montenegro ein Volkssport. Danach kochen wir zusammen in der großen Gemeinschaftsküche und essen in fröhlicher, internationaler Runde.
- Unser Campingplatz in Zabljak, das Mlinski Potok Auto Camp, liegt etwas außerhalb des Ortes und besteht aus einer terrassenförmigen Wiese, umgeben von Weiden mit Schafen und Berggipfeln. Es gibt eine große Gemeinschaftsküche und einfache sanitäre Anlagen mit Warmwasserdusche. Wir haben 15 Euro pro Nacht bezahlt.
Von Zabljak aus fahren wir auf einer asphaltierten, aber schmalen Straße quer durch den Durmitor Nationalpark in Richtung bosnische Grenze. Die Strecke führt auf schätzungsweise 1500 Metern Höhe durchs Gebirge, schlängelt sich an Bergalmen, Schafherden und vereinzelten Holzhäusern vorbei und eröffnet dank weiter Täler immer neue Aussichten auf die felsigen Gipfeln, denen man ansieht, mit welcher Urgewalt sie vor Jahrmillionen geformt wurden. Ab und zu steht ein kleiner Verkaufsstand an der Straße, an denen vor allem Honig, Likör und ein bisschen Kunsthandwerk angeboten wird. An einem mit besonders viel Auswahl halten wir an. Sofort kommt eine Frau aus dem Haus und erklärt uns freundlich, um welche Spezialitäten es sich handelt und dass sie sie alle selbst herstellt. Ob wir nicht reinkommen und mit ihnen zu Mittag essen möchten. Wir sind zwar eigentlich noch satt, aber freuen uns über die unerwartete Gelegenheit, mit einer montenegrinischen Familie gemeinsam zu essen. In dem Moment kommt jedoch ihr Mann mit zwei Touristen aus dem Haus, die sich bei ihm überschwänglich bedanken und ihm vor unseren Augen mehrere größere Euroscheine in die Hand drücken. Wir entscheiden uns um und kaufen statt dessen zwei Sorten Honig vom Stand.
Auf in die Tara-Schlucht: Adrenalinpiste mit Panoramablick, Schleichwege an die Grenze und ein Abenteuercamp direkt am Fluss
Wir wollen ins Camp Grab, das uns unterwegs von mehreren Reisebekanntschaften empfohlen wurde. Der Campingplatz liegt in der Tara-Schlucht, direkt an der montenegrinisch-bosnischen Grenze. Zwei Wege führen vom Durmitor Nationalpark aus dorthin – und beide haben ihren ganz eigenen Reiz.
Wir nehmen die auf unserer Straßenkarte markierte Panoramastrecke. Oder wie ich sie jetzt nenne: Adrenalinpiste. Auf unserer Karte sind vielleicht zwei oder drei Schlangenlinien zwischen Gebirge und dem Stausee Pivsko Jezero eingezeichnet. Klar rechnen wir an dieser Stelle mit Serpentinen, aber wie steil die Straße tatsächlich ins Tal führt, uiuiui, das kann man sich vorher beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem ist die Piste schmal, ohne nennenswerten Seitenstreifen und führt immer wieder durch grob in die Bergflanke gehauene Tunnel. Meist befinden sich diese unmittelbar vor einer Haarnadelkurve, so dass man aus dem Dunklen kommend direkt in einen Abgrund blickt. Nachdem wir an der berühmten Tara-Brücke enttäuscht waren, nicht den im Reiseführer angekündigten 1300 Meter tiefen Canyon vorzufinden, begegnen wir dem Abgrund hier nun völlig unvorbereitet.
Wenn man grenzenloses Vertrauen in die Bremsen des eigenen Fahrzeugs hat und keine Höhenangst, ist diese Strecke definitiv ein MUSS. Im Internet findet man zahlreiche Motorradfahrer-Berichte, die aus dem Schwärmen nicht herauskommen. Das Panorama ist tatsächlich atemberaubend.
Auf der relativ gut ausgebauten Straße, die wir anschließend direkt am Stausee entlang Richtung Grenzübergang fahren, wartet dann ein weiterer Adrenalinkick. Wieder kommen wir aus einem groben, unbeleuchteten Tunnel heraus auf eine schmale Brücke und stellen plötzlich fest: Wir befinden uns hier auf dem Rücken eines Staudamms! Links geht der Blick wie zuvor übers türkisblaue Wasser, aber rechts fällt er 220 Meter senkrecht in die Tiefe. Ich bin so perplex, dass ich völlig vergesse, mit der Handykamera, die ich eigentlich schon startbereit in der Hand halte, aus dem Fenster zu filmen.
Der Nachteil an dieser Strecke, jetzt mal vom möglicherweise unerwünschten Nervenkitzel abgesehen: Der Zubringerweg, auf dem man die letzten Kilometer zum Camp Grab fährt, zweigt wirklich erst ganz kurz vor dem Grenzposten ab. Und weil die Straße davor sehr schmal und kurvig ist, wagen wir es nicht, mal eben auf der Gegenfahrbahn am Stau vorbei zu ziehen. Ein paar Autos mit einheimischem Kennzeichen haben da weniger Skrupel. Wir warten also sage und schreibe zwei Stunden und sind wirklich ganz kurz davor, auf einen der Campingplätze direkt neben der Landstraße, auf der wir warten, abzufahren. Das Café an der Straße, kurz vor dem Grenzposten, macht jedenfalls Rekordumsatz: Jeder, der das einzige Klo weit und breit benutzen will, zahlt einen Euro, und die meisten kaufen dort ein Eis.
- Unser Tipp: Schleichweg ins Camp Grab! Im Durmitor Nationalpark zweigt bei Trsa ein Sträßchen ab, das parallel, aber ein ganzes Stück östlich der Hauptstraße bis an den Tara führt (hier seht ihr die Route auf Google Maps). Auf unserer Straßenkarte ist es nur als haarfeine Linie eingezeichnet, aber die Camp-Leute waren sich sicher, dass wir sie auch in unserem Bulli hätten befahren können 🙂
Zum Glück halten wir die Warterei an der Grenze durch! Und trauen unserem Bulli auch zu, auf einem geschotterten Waldweg mehrere hundert Höhenmeter in die Tara-Schlucht hinunter zu fahren – obwohl wir uns während dessen ein paar Mal fragen, ob er es wohl auch wieder rauf schaffen wird… Aber als wir am Camp Grab ankommen, ist uns das egal. Denn wir sind hier in einem kleinen Stückchen vom Paradies gelandet! Der Campingplatz selbst ist einfach eine Wiese, von Bäumen umstanden und von den Felswänden der Schlucht überragt. Sie ist so groß und leer, dass wir einen Stellplatz finden, an dem wir uns praktisch alleine wähnen. Nur hin und wieder schallt das Lachen der französischen Jugendlichen herüber, die hier im Abenteuerferienlager sind. Zum Camp gehören außerdem ein paar Bungalows und unten, am Fluss, den man über eine ziemlich steile Treppe erreicht, ein weitläufiges Restaurant unter freiem Himmel. Wer hier zu Mittag oder Abend essen möchte, muss das ein paar Stunden vorher an der Rezeption anmelden – so viel Planung braucht die Küche hier, mitten in der Wildnis.
Ein von Jäger des verlorenen Schmatzes (@jaegerdesverlorenenschmatzes) gepostetes Video am
Das Essen im Camp Grab wird aus Zutaten, die aus der unmittelbaren Gegend stammen, frisch zubereitet. Getränke und kleine Happen, z.B. eine Jause mit Schinken und Käse, sowie das beste Brot unserer Reise (natürlich ebenfalls selbst gebacken) kann man aber spontan bestellen. Und am Lagerfeuer, das jeden Abend brennt, sind alle Gäste des Camps willkommen. Als wäre das nicht paradiesisch genug, gibt es am Fluss sogar einen kleinen Sandstrand. Allerdings ist das Wasser ziemlich frisch (die französischen Jugendlichen springen trotzdem von dem großen Felsen aus hinein). Dafür ist es glasklar, wirklich schön anzusehen – und voller Fische. Wir verbringen einen herrlich faulen Tag am Ufer, die kleine Co-Jägerin jagt Kaulquappen, die in den großen Pfützen in den Felsen herumflitzen, und winkt den vorbei treibenden Raftingbooten zu, während der Co-Jäger die Angel auswirft und tatsächlich eine dicke Forelle rauszieht, die wir zum Abendessen räuchern (wie das auch draußen geht, erklären wir hier). Köstlich und lecker!
- Unser Tipp: Camp Grab ist ein Abenteuercamp wie aus dem Bilderbuch und dabei nicht mal teuer: Wir haben pro Nacht 13,20 Euro bezahlt. Der Sanitärblock ist modern und sauber, inklusive heißer Duschen. Vom Camp aus kann man allerlei Aktivitäten buchen: Rafting (leider erst für Kinder ab 5 Jahren), Hydrospeed, Kajakfahren, Mountainbiken, Klettern, Canyoning, geführte Wanderungen, Fotosafaris uvm.
Am Tag unserer Abreise starten wir extra früh, denn wir wollen die Grenze diesmal vor dem großen Ansturm erreichen. Im Tal hängt noch der Frühnebel, als unser Bulli brav die steile Schotterpiste hinauf brummt. Zum Abschied zeigt sich der Tara-Canyon noch einmal von seiner besonders schönen Seite. Als wir die Grenze erreichen, wir gerade das einzige Auto, das dort vor uns ankam, abgefertigt. Wir sind sehr froh, dem Beamten nur wenige Minuten später unsere Pässe reichen zu dürfen – aber auch ein bisschen wehmütig. Montenegro, wir kommen bestimmt wieder! Schließlich haben wir die Cowboys noch gar nicht getroffen. Und die Hippie-Halbinsel muss doch da auch irgendwo sein!
Wie habt ihr Montenegro erlebt?
Kennt ihr einsame Flecken an der Adriaküste? Habt ihr schöne freedom camping Plätze entdeckt? Was sollte man im Land auf keinen Fall verpassen?
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