Neuruppin: Landpartie mit Spitzenkoch


Als Reisejournalist bekommt man ja unfassbar viele Einladungen zu sogenannten Pressereisen, von denen die meisten auf eines abzielen: Man erlebt ein paar schöne Tage und schreibt anschließend etwas Nettes darüber. Wie viele Wellnesshotels ich schon hätte ausprobieren dürfen, oft sogar in Begleitung von Partner und Kindern! Wie viele Traumstrände nur darauf warten, von mir besucht zu werden! Das Problem dabei ist: Natürlich lasse ich mir gerne den Rücken massieren und die Sonne auf den Bauch scheinen, aber das ist leider noch lange keine Geschichte, die es aufzuschreiben lohnt.

Wenn ich hingegen zu einem Wochenende eingeladen werde, an dem ich bei einem Fischzüchter Forellen angeln und selbst zerlegen und in einer Demeter-Bäckerei mit anpacken darf, wir einen Schlachter besuchen, dessen Leitsatz „Respekt vor dem Tier“ lautet, einen Kürbishof, der 170 verschiedene Sorten anbaut, und schließlich Kräuterkunde bei einer Gärtnerin auf dem Programm steht – bevor wir am Abend aus all den zuvor kennengelernten Produkten gemeinsam mit einem Spitzenkoch ein Essen zubereiten … ja dann … bin ich definitiv neugierig geworden.
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An einem Freitagabend Ende September saß ich also …

… mit sieben oder acht Kollegen aus ganz Norddeutschland auf der Seeterrasse des Restaurant Parzival zusammen und versuchte, die Fleischberge zu verdrücken, die man vom Barbeque an unseren Tisch brachte. Zu unserer kleinen Vorstellungsrunde stieß Matthias Kleber, Küchenchef unseres Gastgebers (das Resort Mark Brandenburg in Neuruppin), und erzählte uns, was er am nächsten Tag mit uns vorhatte und warum er uns die einzelnen Höfe zeigen wollte. Er schwafelte kein Marketingdeutsch, in dem es um Nachhaltigkeit geht und dass man sich neu aufstellen müsse. Statt dessen erzählte er, dass „bio“ für ihn keine Rolle spiele, viel wichtiger sei ihm, dass er seine Produzenten kenne. Der Ort, in dem er aufgewachsen ist, liegt – wie alle Höfe, die wir am nächsten Tag besuchen würden – keine halbe Stunde vom Hotel entfernt. Kleber hatte in seiner bisherigen Karriere auch keine internationalen Stationen, statt dessen reist der 42-Jährige seit einigen Jahren als Team-Chef der deutschen Nationalmannschaft der Köche um den Globus. Wenn er erzählt, dass er langfristige Partnerschaften vor Ort aufbauen will – mit dem Fischzüchter, dem Schlachter, dem Bauern, der seine Martinsgänse aufzieht – dann glaubt man ihm, dass es um die Produkte geht, um Handwerk, guten Geschmack und eine faire Zusammenarbeit.

[Fast alle der vorgestellten Höfe haben auch kleine Läden, die Adressen stehen ganz unten.]

Samstag Morgen, 8:00 Uhr, Neuruppin

Abfahrt. Der graue Himmel hängt so tief, dass er in den Bodennebel zu fließen scheint. Immerhin hat die platte Brandenburger Landschaft so etwas Geheimnisvolles. Auf einem abgeernteten Feld steht ein Reh und hoch oben, auf einem Mast in einem anderen Acker, ein Trabbi, umgebaut zum Storchenhorst. Wir halten nach Kranichen Ausschau.

8:30 Uhr, Linum, Kürbishof

Durch ein großes Holztor betreten wir Rixmanns Hof. Und stehen inmitten von großen Kisten, die vor Kürbissen schier überquellen. Knallbunt leuchten sie in allen Herbstfarben gegen den trüben Morgen an. Einige Exemplare liegen noch auf dem Acker hinterm Haus, aber bald muss die Ernte eingeholt sein. Vor dem ersten Nachtfrost, denn die Pflanzen sind sehr kälteempfindlichen. „Vor ein paar Jahren fielen die Temperaturen schon Anfang Oktober unter Null, da hatte ich morgens richtig schlechte Laune“, erzählt uns Georg Rixmann, der mit seiner Frau Sabine Schwalm den Hof führt. In diesem Jahr läuft alles gut. An den Wochenenden strömen die Berliner nach Linum, beobachten Kraniche, die hier zu Zehntausenden auf ihrem Zug nach Süden rasten, und kaufen Kürbisse bei Rixmann. Auf Wochenmärkte fährt er mit seinem großen Sortiment nicht.

170 verschiedene Sorten (inklusive der verwandten Zucchinis) hat Rixmann im Angebot. Viele Samen stammen aus dem Ausland, manche sind Urlaubsmitbringsel von Freunden. Dass er inzwischen als Experte gilt, merkt er an den Anrufen, die er erhält. Manchmal erreichen ihn regelrechte Notrufe. „Einmal hatte ich eine ältere Frau dran, die rief ganz aufgeregt in den Hörer: ‚Wir versuchen es jetzt seit einer halben Stunde aber wir kriegen den Kürbis einfach nicht klein!‘ – Ich dachte erst, das sei so ein Ulk-Anruf vom Radio, bis ich im Hintergrund ein Küchenmesser mit fast leerem Akku jaulen hörte.“ Rixmann lacht ein gemütliches Lachen. „Ich habe der Frau dann empfohlen, den Kürbis kräftig auf den Boden zu werfen. Das hat geklappt.“ Weil er so oft um Rezepte gebeten wird, hat er mittlerweile eine Auswahl auf seine Webseite gestellt.

Rixmann nimmt ein paar interessant geformte und gefärbte Kürbisse aus den Kisten und sagt: „Alles, was nicht orange ist, hat es bei uns Deutschen immer noch schwer.“ Dabei sei der beliebte Hokkaido geschmacklich einer der langweiligsten im Sortiment. Ich fühle mich ertappt und spitze die Ohren, als er uns ein paar Alternativen vorstellt: Der Buttercup – er hebt ein dunkelgrünes Exemplar mit graugrünen Längsstreifen in die Höhe – schmecke nach Erbse. Es folgt etwas, das an eine zu groß geratene Knoblauchknolle erinnert: Babyboo heißt der Kürbiszwerg, der roh jedoch leicht nach Rose duftet. Gekocht werde er mehlig und erinnere geschmacklich an Esskastanie, erfahre ich. „Manche füllen ihn mit Sahne und Marzipan.“ Mmmmmmmh! Der Acorn, der in grün- oder gelb-beiger Blockstreifenoptik und mit gewellter Schale daherkommt, habe ein Haselnussaroma und mache sich prima als Rohkost im Salat. Und der Spaghettikürbis zerfalle praktischerweise beim Garen in pasta-artige Fäden. „Einfach die Kerne rausnehmen, Sauce reinfüllen, ab in den Ofen und fertig.“

Leider bin ich mit dem Zug angereist, sonst würde ich jetzt meinen Kofferraum vollladen. Ein paar kleine Exemplare kaufe ich trotzdem und nehme mir vor, bald wieder zu kommen, bevor für diese Saison alles ausverkauft ist. Als wir den Hof verlassen, zieht eine kleine Kranichschar rufend über uns hinweg.

10:00 Uhr, Hakenberg, Schlachthof

Rudolf Schröder hat eine Statur, die seinen Beruf nicht vermuten lässt. Der angehende Fleischermeister wird uns durch die Anlage führen, in der etwa zwei Mal pro Woche hofeigene Rinder geschlachtet und zu „Hakenberg Fleisch“ verarbeitet werden. Jetzt ist er also dran, der Programmpunkt, vor dem ich gehörigen Respekt habe. Ich esse Fleisch, wenn auch nicht häufig, und sage mir: Das, was Du gleich sehen wirst, musst Du aushalten können.

Von außen wirkt das flache, recht kleine Gebäude unscheinbar. Es ist umgeben von Weiden, auf denen Kühe mit ihren Kälbern grasen. Auch meine Nase sendet keine Warnsignale an mein Gehirn. Wir treten ein und müssen in einem Vorraum Haarnetze überstreifen, Plastikkittel anziehen und Tüten über die Schuhe. Kühl ist es hier drin. Im Gänsemarsch gehen wir einen schmalen Gang hinunter, vorbei an einem Raum, der mit „Tierarzt“ beschriftet ist, und betreten durch eine Tür die Kammer des Schreckens. Plötzlich ist er da, der Geruch nach Tod, obwohl nach dem letzten Schlachttag alles gesäubert wurde, der Betonboden, die Metallwanne, die Trittleiter, der große Haken, der von der Decke hängt, die Kettensäge.

Wir erfahren, dass die Tiere, die für „Hakenberg Fleisch“ ihr Leben lassen, alle in der Umgebung aufwachsen. Nach dem kurzen Transport hierher verbringen sie ein paar Tage auf der Weide, bevor sie die wenigen Meter ins Schlachthaus laufen. Ein Tier nach dem anderen betritt die Kammer, in der sie per Bolzenschuss betäubt und dann getötet werden. „Stressfrei“ nennt das Schröders Chef, Jens Winter, und spricht von „Respekt vor dem Tier“. Das schmecke man, ist Matthias Kleber überzeugt. Zumal das Fleisch, das er für die Hotelküche bestellt, sieben Wochen in der Kühlung reift (in den Massenbetrieben sind es nur wenige Tage, oft beschleunigt durch Vakuumverpackungen). Dabei verliert es an Wasser, der Geschmack intensiviert sich.

Wir gehen weiter in den Kühlraum, in dem die Rinderhälften in Reih und Glied hängen, um uns das genauer anzuschauen. Ich stelle testweise wieder auf Nasenatmung um. Zu meiner Überraschung riecht es appetitlich, ich muss an Carpaccio und Schinken denken und bin froh, dass das Gefühl, als würde jemand meine Eingeweide würgen, langsam verschwindet. Das Fleisch hat hier die Farbe, die man von den Dielenböden unsanierter Berliner Altbauwohnungen kennt, stellenweise ist es sogar fast dunkelbraun. Als ich näher herangehe, sehe ich eine feine weiße Maserung, von der Kleber später noch schwärmen wird: „Fast so gut wie beim Wagyu Rind!“ Die japanische Rasse, deren Fleisch zum Teuersten und Edelsten auf dem Markt gehört, wird demnächst ebenfalls in Hakenberg verkauft, in diesem Jahr sind ein paar Tiere zur hofeigenen Angus-Herde des Schlachtbetriebes hinzu gekommen. Das Fleisch, das wir heute sehen, stammt von Fährsen – Kühen, die noch nicht gekalbt haben. Das Fleisch sei viel besser als vom Bullen, so Kleber.

180 Kilo wiegt so eine Rinderhälfte und obwohl sie an ihrem Haken über eine Schiene an der Decke gleitet, sieht es ziemlich anstrengend aus, als Rudolf Schröder sie in einen Nebenraum zieht. Dort sägt er einen großen Block heraus, aus dem wir heute Abend, wenn wir in der Hotelküche aus den Produkten des Tages ein Menü für unsere Gruppe zubereiten, dicke Steaks schneiden werden. „Aber so ein Tier besteht eben nicht nur aus Steaks!“ Diese Botschaft möchte Kleber gerne verbreiten. Er wünscht sich, dass wir Fleisch wieder bewusster, statt massenhaft und jeden Tag essen. Er selbst hat in seiner Ausbildung noch das Zerlegeneines ganzen Tieres gelernt und nimmt seine Kochschüler gerne nach Hakenberg mit. Dort ist man in der Lage, auf Sonderwünsche einzugehen und dem Koch auch Stücke zu liefern, die in Großbetrieben einfach im Hundefutter landen würden. Kleber experimentiert in seiner Küche beispielsweise mit „Nierenzapfen“ oder dem „Skirt“, einem schmalen Streifen, der die Innereien im Bauchraum hält. „Die sind besser als Rinderbäckchen, damit treten wir bei der nächsten Koch-WM an!“ Auch wir dürfen sie am Abend probieren.

11:20 Uhr, Rohrlack, Kräutergarten

Die Saison ist schon fast vorbei, deshalb blühen in Inken Rendlers Garten nur noch der namensgebende Lavendel und mannshohe Fenchelpflanzen. Und Blumen, die zwischen den trockenen Überbleibseln der Kräuter stehen. Schon Mitte März beginnt hier die Ernte; im Laufe des Frühlings und Sommers reicht das Angebot dann von bekannten Küchenkräutern wie Thymian, Petersilie, Koriander oder Zitronengras über Wildkräuter wie Sauerampfer oder Bärlauch bis zu Blüten zum Beispiel vom Fenchel oder der Zucchini. Auch ungewöhnliche Sorten wie Ananassalbei oder Zitronenthymian zieht Rendler im Freiland. Ihr Wissen gibt sie gerne in Kräuterseminaren in ihrem Garten weiter, denn die Vielfalt ursprünglicher und besonderer Sorten zu schützen, ist ihr ein wichtiges Anliegen.

In einem kleinen Gewächshaus im Zentrum des Gartens reifen jetzt noch Tomaten. Daneben steht ein Tisch mit zwei Bänken, umgeben von Kräuterbeeten. Die Sonne ist inzwischen herausgekommen und es ist T-Shirt warm. In dieser Idylle essen wir eine Kleinigkeit: Hakenberg-Schinken, Brot der Bäckerei, die wir als nächstes besuchen, dazu gibt es einen grünen und einen weißen Kräuterdip aus der Küche von Matthias Kleber. Die Kollegen trinken Weißwein. Ich bräuchte dringend einen Kaffee.

12:30 Uhr, Rohrlack, Bäckerei

Nur ein paar hundert Meter weiter liegt die Demeter-Bäckerei Vollkern: Ein zweigeschossiger Klinkerbau mit Sprossenfenstern, davor Kopfsteinpflaster, in dessen Ritzen Gras sprießt, auf der Wiese gegenüber scharren Hühner. Ein Anblick wie aus einer Zeitschrift über das schöne Landleben. Das Erfreuliche ist: Es sieht nicht nur hübsch aus, hier wird auch richtig gutes Brot gebacken (ein Lebensmittel, das man nicht hoch genug schätzen kann, habe ich in Neuseeland festgestellt). Probiert haben wir es ja gerade eben schon, jetzt dürfen wir uns anschauen, wo und wie es gemacht wird.

Bäckermeister Volker Apitz sieht sehr zufrieden aus, als er uns auf dem Hof begrüßt. Vor 15 Jahren hat er Vollkern gegründet, heute, sagt er, könne er sich die Kunden aussuchen. In der Backstube arbeiten inzwischen 20 Kollegen in zwei Schichten und damit sei man auch an der Kapazitätsgrenze angekommen. „Es war gar nicht so einfach, ihn davon zu überzeugen, für uns zu backen“, bestätigt Matthias Kleber schmunzelnd. Aber nicht nur das ist ihm gelungen, der Koch und der Bäckermeister haben nun auch gemeinsam ein Brot entwickelt, das mit dem Salz der hoteleigenen Thermalquelle gebacken wird. Mein Favorit ist allerdings das Essener: ein dunkles Fladenbrot, das aus Getreidekeimlingen gebacken wird, welche in der Bäckerei frisch gezogen werden. Es ist ziemlich kompakt, hat viel Biss, ist unglaublich saftig und leicht süß.

Bei Vollkern wird nicht nur richtig leckeres Brot gebacken – aus reinem, in Ruhe gereiftem Natursauerteig, ohne Hefe und künstliche Backmittel und weitestgehend in Handarbeit. Mehl und Schrote dafür werden auch in der Backstube frisch gemahlen. Und das angelieferte volle Korn stammt von Demeter-Bauern aus der unmittelbaren Umgebung. Wie gut, dass es die Brote auch in einigen Berliner Bioläden zu kaufen gibt*, denn nach Rohrlack werde ich nicht regelmäßig fahren können. Das wäre ja auch völlig unökologisch.

14:40 Uhr, Dabergotz, Bauernhof

Kurzer Stopp auf dem Biobauernhof von Marko Bartz und seinem Kollegen Siggi, die 40 Hühner, 4 Perlhühner, 100 Enten, 100 Gänse und eine kleine Herde Angus- und Charolais-Rinder halten. Der Großteil des Federviehs ist für Matthias Kleber bestimmt. Im letzten Jahr hatten die Gänse so viel Auslauf, erzählt uns der Koch, dass sie bei der Schlachtung Anfang November ein Kilo weniger als erwartet auf die Waage brachten. Kleber musste noch Gänse zukaufen, stellte dann aber fest: Als sie aus dem Ofen kamen, wogen beide gleich viel. Trotzdem: In diesem Jahr sollen sie die letzte Woche im Stall verbringen.

15:00 Uhr, Zippelsförde, Fischzucht

Stör. Der Name ist sogar mir ein Begriff, obwohl ich nicht unbedingt Expertin für Kaviar bin. Über den Fisch selbst wusste ich allerdings bisher gar nichts und bin von den Exemplaren in den Zippelsförder Wasserbecken ziemlich beeindruckt: Ihr Rücken sieht aus wie gepanzert und mit den herausstehenden Ecken ein bisschen wie bei einem Krokodil, und der Kopf läuft in eine platte, spitze Nase aus, an der unten noch ein paar Fäden hängen. Wild schaut er aus, wie ein Urzeitwesen, und tatsächlich wird er auch als „lebendes Fossil“ bezeichnet. Das größte je gefangene Exemplar soll acht Meter lang gewesen sein.

In Europa ist der Stör, der noch Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Flüssen und in Nord- und Ostsee vorkam, in der freien Wildbahn vom Aussterben bedroht. Wasserverschmutzung, Flussbegradigungen, Schleusen und Überfischung haben dem Wanderfisch die Lebensgrundlage genommen. Heute gibt es ihn in Deutschland nur noch in Aquakulturen. Das soll sich aber ändern: Hierzulande wie auch auf EU-Ebene wurden Schutzprojekte gestartet, um wieder selbst-reproduzierende Bestände in den Flüssen anzusiedeln. In Elbe, Oder und Rhein wurden bereits verschiedene Stör-Arten ausgesetzt.

In der Gefangenschaft tun sich Störe mit der Fortpflanzung leider ziemlich schwer. Hinzu kommt: Weil ihr Bestand derart bedroht ist, stehen sie unter Schutz. Zucht- und Aufzuchtbetriebe müssen daher gewisse Auflagen erfüllen und wer Kaviar produzieren will, benötigt die sogenannte CITES-Lizenz (die Abkürzung steht für Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora).

Die Störe in Zippelsförde stammen vom Schwesterbetrieb in der Oberpfalz, einem von fünf in Deutschland mit einer CITES-Lizenz. Hier, in Brandenburg, werden nur die männlichen Tiere großgezogen bis sie schlachtreif sind. Kürzlich allerdings hatte Geschäftsführer Andreas Hoesl unverhofft ein weibliches Tier unter dem Messer – in dessen Bauch sich 400 Gramm Kaviar befanden. „Den Kaviar dürfen wir ja in Zippelsförde nicht verarbeiten“, erzählt er uns, „also habe ich ein paar Freunde zum Essen eingeladen.“

Der Wert des Edelimbiss: rund 500 Euro. Und das auch nur, weil es sich um einen Sterlett-Stör handelte, dessen Eier als Schwarzer Stevruga verkauft werden. Wäre es Kaviar des Ossetra-Störs gewesen, der ebenfalls in der Oberpfalz gezüchtet wird, so hätte er im Laden bereits rund 600 Euro gekostet. Der mit Abstand teuerste Fischrogen stammt allerdings von Albino-Stören, die wir ebenfalls bewundern dürfen, und wird wegen seines Farbtons „Zarengold“ genannt. Hier kostet bereits ein Zehn-Gramm-Döschen 50 Euro. Es soll ja Kunden geben, denen es nicht um den Geschmack der zwei bis vier Millimeter großen Kügelchen geht, welcher „von sehr mild oder würzig über cremig und nussig bis zu sahnig und buttrig“ variiert. Da wir nicht verkosten durften, zitiere ich hier einen Werbeprospekt – meine bisherige Erfahrung war eher: salzig und fischig. Was das Fleisch der Störe angeht, so glaubt Hoesl, es müsse „den Leuten erst wieder nahe gebracht werden“. Mir schmeckt es gut, obwohl es recht fett ist: Es ist weiß, angenehm fest und hat dabei kaum Gräten.

Ich bin nicht böse, dass ich den Stör nicht selbst aus dem Becken angeln durfte. Als absolute Anfängerin wäre ich mit so einem Brummer sicher überfordert. Zumal das Fleisch ein, zwei Tage liegen sollte, erklärt Matthias Kleber, sonst hüpfe es einem fast aus der Pfanne. Aber ich hätte gerne mal mein Glück bei einer Forelle versucht, die in Zippelsförde in kleinen Teichen leben. Das darf man dort auch ohne Angelschein; man zahlt nur eine Grundgebühr und den (eventuell) gefangenen Fisch dann kiloweise.

18:00 Uhr, Neuruppin, Kochschule des Resort Mark Brandenburg

Mein Kopf ist voll, so viel habe ich heute gesehen und gelernt. Leider konnte ich doch nicht so viel selbst ausprobieren wie erhofft. Die Kochschüler, die hier einen Kurs mit Matthias Kleber buchen, besuchen pro Tag nur einen Hof, dürfen dort tatsächlich selbst Hand anlegen und kochen dann abends mit dem jeweiligen Produkt. Letzteres dürfen aber auch wir – für mich der krönende Abschluss eines zwar anstrengenden, aber sehr schönen Tages.

Unsere Vorspeise: Gebratener Stör mit Wildkräutersalat. Der Hauptgang: Ein gigantisches Steak und dazu kleine Scheiben vom Skirt und vom Nierenzapfen. Für letztere braucht man definitiv mehr Kaumuskeln, geschmacklich stehen sie dem Küchenklassiker aber in nichts nach, ein kleines bisschen strenger im Geschmack sind sie vielleicht. Die Beilage: kräutriges Petersilienwurzelpürree und gedünsteter Acorn-Kürbis. Zum Glück hat die Natur bei mir einen extra Dessertmagen angelegt, so dass ich tatsächlich auch noch ein Stück Birnentarte zum Dessert schaffe. Die haben wir allerdings nicht selbst gebacken. Als ich pappsatt, glücklich und müde vor die Tür trete, regnet es in Strömen.

Die Adressen der besuchten Höfe:

Rixmanns Hof
Nauener Str. 23a, 16833 Linum, Tel. 033922/ 50571
Der Hofladen öffnet im Oktober täglich, im September und bis etwa Mitte November Sa & So 10-18 Uhr sowie nach Vereinbarung.
www.gemuese-und-obst.de

Hakenberger Fleisch
Fehrbelliner Straße 3a, 16833 Hakenberg, Tel. 033922/ 50259
Hofladen geöffnet Do 10-15 Uhr, Fr 10-17 Uhr, Sa 10-12 Uhr.
www.hafleg.de

Kräutergarten Lavendelblüte
Barsikower Weg 9, 16816 Rohrlack, Tel. 033928/ 90743 bzw. 0151/ 50706434
Hofladen geöffnet Mo, Mi, Fr, Sa 8-12 Uhr; Di und Do auf dem Markt in Neuruppin
kraeutergarten-lavendelbluete.de

Bäckerei Vollkern
Lindenhof 2, 16845 Rohrlack, Tel. 033928/ 71133
Der eigene Laden hat geöffnet Mo-Fr 8-18 Uhr und Sa 8-11 Uhr.
*Alle weiteren Verkaufsstellen in Berlin und Brandenburg sind hier gelistet: www.baeckerei-vollkern.de/verkaufsstellen.htm

Fischzucht Zippelsförde
Rheinshagener Weg 10, 16827 Zippelsförde, Tel. 033933/ 70820
Geöffnet täglich 7-16 Uhr
www.fz-zippelsfoerde.de

Zum Resort Mark Brandenburg gehören drei Restaurants, die alle die regionale Handschrift von Matthias Kleber tragen und auch Gästen von außerhalb offen stehen:
>>Restaurant Parzival (gehoben)
Geöffnet täglich 6:30-22 Uhr (bis 10:30 Frühstück, am Sa/So bis 11:30)
>>Seewirtschaft (rustikal)
Mo-Do 17-22 Uhr, Fr-So 12-22 Uhr
>>Bistro Seeblick
Mo-Fr 10-21 Uhr, Sa/So 8-21 Uhr

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