Weil wir nur eine Woche Zeit hatten für unseren Georgien-Roadtrip, wollten wir gerne verschiedene Strecken von Kutaisi nach Mestia und zurück fahren, unsere Route also als Rundreise gestalten. „Kein Problem“, hieß es im Vorfeld. „Ihr könnt ein Taxi über die Berge nehmen.“ Ganz so einfach war es dann aber doch nicht.
Natürlich wollten wir auf unserem Georgien-Kurztrip auch den georgischen Wein kosten. Denn der macht sich gerade auch in Deutschland (wieder) einen Namen, vor allem unter Liebhabern von Naturweinen. Die Kunst des Wein Machens hat in Georgien seit mehreren tausend Jahren Tradition (manche sagen: sogar noch länger als die in Italien), nur weiß das in den Ländern westlich des einstigen Eisernen Vorhangs kaum jemand. Was auch damit zusammen hängt, dass zu Sowjetzeiten der georgische Wein so gefragt war, dass er notgedrungen zum Massenprodukt wurde – und wohl auch des öfteren gepanscht und gefälscht…
Inzwischen besinnen sich die georgischen Winzer wieder auf alte Traditionen und wir waren sehr neugierig darauf, den georgischen Wein im Land zu probieren.
Rund um Ambrolauri gibt es zahlreiche Weingüter
Die meisten Weingüter Georgiens befinden sich im Osten des Landes, rund um Tiblisi. Das wäre uns für diesen Kurztrip viel zu viel Fahrerei gewesen. Zum Glück haben wir dann noch die Weinstraße rings um Ambrolauri entdeckt, nur eineinhalb Stunden von Kutaisi entfernt, und uns für eine Nacht auf dem Sad Meli Weingut entschieden.
Dass es genau dieses Weingut wurde, liegt schlicht und einfach daran, dass wir es vorab im Internet entdeckten. Als wir in Ambrolauri ankamen, sahen wir, dass sich in dem Tal die Weinberge aneinander reihen und selbst auf unserer Fahrt hoch in die Berge sind wir immer wieder an kleinen Weingütern vorbei gekommen. Erstaunlich, dass in solchen Höhenlagen, in denen es im Winter ja richtig kalt und schneereich ist, Wein wächst.
Unsere Empfehlung: Wenn ihr mehr Zeit habt, könnt ihr hier verschiedene Winzer besuchen.
Sad Meli war für uns auf jeden Fall eine gute Wahl. Die Familie macht bereits seit über 200 Jahren Wein seit kurzem setzt sie außerdem auf Tourismus und hat ein neues Guesthouse auf dem Grundstück gebaut (das leider sehr, sehr hellhörig ist…. unser Zimmer lag Wand an Wand mit dem Gastraum, in dem fröhlich bis tief in die Nacht Wein verkostet wurde). Das Haus liegt oberhalb des Weinbergs und von der Restaurantterrasse aus hat man einen – bei klarem Wetter – sensationellen Blick ins Tal, durch den sich ein verzweigter Fluss schlängelt. Wir haben leider einen wolkenverhangenen Tag erwischt.
Der Patriarch der Familie und Chef-Winzer, Archil Kereselidze, führte uns in seinen Weinkeller und erzählte uns, dass er von Kindesbeinen an von seinem Vater und Großvater das Handwerk erlernt hat – so wie er es jetzt an seinen 12-jährigen Enkel Sebastian weiter gibt. Dank Sebastian, der in den USA geboren wurde und für uns übersetzte, konnten wir uns hier ausnahmsweise richtig unterhalten und viele Fragen stellen.
Der Wein reift in tönernen Amphoren, die in den Boden eingegraben sind und oben offen bleiben. Nachdem der Trester entfernt wird, wird dem angehenden Wein 20% Chacha (Tresterbrand) zugefügt. Alles sehr ungewöhnlich, das Ergebnis überzeugte uns jedoch, vor allem der Saperavi, der als die „Königin des georgischen Weins“ gilt und den wir dann zum (sehr guten!) Abendessen tranken.
Heftige Gewitter, Stromausfall, auch das Internet ist weg. Irgendwie finde ich das sogar gut.
Am Abend waren die Wolken bereits von den Bergen bis ins Tal gesunken, was ziemlich spektakulär aussah, denn hier und da blitzten die Spitzen der gegenüberliegenden Gipfel durch den Dunst. In der Nacht allerdings zogen heftige Gewitter und Regengüsse über uns hinweg, so dass der Strom und damit auch das Internet ausfiel. Bis wir am Vormittag vom Weingut aufbrachen, kam der Strom auch nicht wieder, was uns einen ziemlichen Blindflug bescherte für unsere nächste Etappe, die sich als recht abenteuerlich entpuppen sollte.
Aber weil ich es ziemlich satt habe, wie sehr das Smartphone und Google langsam aber sicher auch das letzte Reiseabenteuer killen, war ich tatsächlich dankbar dafür.
Unsere Gastgeber mussten lange herum fragen, bis sich endlich jemand fand, der uns nach dem Unwetter in die Berge nach Mestia bringen würde. Gegen Mittag holte uns dann Tato ab – mit einem alten Auto, das jedoch tapfer den unbefestigten und an diesem Tag schlammig-schmierigen Weg von der Weinerei runter ins Tal rutschte.
Moment mal: Diese Strecke nach Mestia wollten wir doch gar nicht fahren!
Tato ist kein hauptberuflicher Taxifahrer. Aber in Georgien, so erzählte es uns ein älterer Lette, mit dem wir auf dem Weingut ins Gespräch kamen, wird jedes Auto zum Taxi wenn ein Tourist von A nach B möchte. Na, das kennen wir ja schon aus Kirgistan 🙂
Wir fuhren also los, auf direktem Weg nach Mestia. Also über die Gebirgskette, die zwischen dem Tal der Weingüter und dem Bergdorf liegt.
Dachten wir.
Bis Tato plötzlich links statt rechts abbog – auf jene Straße, die uns zurück nach Kutaisi und in grooooooooßem Bogen über Zugdidi an unser Ziel geführt hätte. Sieben Stunden Fahrt. Die Hälfte davon hatten wir am Vortag schon gesehen. Und den Rest würden wir auf dem Rückweg von Mestia nach Kutaisi sehen.
Eva und ich waren uns zum Glück sofort einig: Das wollen wir auf keinen Fall!
Kurzentschlossen überredeten wir unseren Fahrer, uns zumindest nach Lentechi zu bringen, den letzten Ort am Fuß der Bergkette. Dort würden wir dann weiter sehen. Die Straße war, entgegen den Ängsten unseres Fahrers (der noch nie in Lentechi war!), völlig in Ordnung und obendrein ziemlich spektakulär. Überwiegend asphaltiert, mäandert sie am Fluss entlang, der sich tief in die Schieferberge gegraben hat. Den Steinschlag hier und da auf der Straße versuchten wir zu ignorieren…
Ob wir in Lentechi, am Fuß der Berge, ein Taxi mit 4WD finden?
Es war bereits 15 Uhr als wir Lentechi erreichten, wo uns Tato ziemlich erleichtert aussteigen ließ und zurück fuhr nach Ambrolauri. Dort dämmerte uns dann, dass es die Straße nach Mestia gar nicht gibt, von der uns in Sad Meli die ganze Zeit erzählt wurde. Nur eine über Ushguli (das höchste Dorf Georgiens) nach Mestia, die eine krasse Offroadpiste sein soll. Davon hatten uns nämlich gestern, auf dem Weingut, vier Engländer erzählt, die die Strecke gerade in die entgegen gesetzte Richtung gefahren waren. Allerdings mit leuchtenden Augen.
Wir waren kaum in Lentechi ausgestiegen und ein Stück an der Straße entlang gelaufen, da hatten wir schon vier Angebote von Männern in großen Geländewagen, die uns heute oder morgen nach Mestia fahren würden. Ganz schnell! Und für nur 500 Lari. 400 Lari. 350 Lari. Wir entschieden uns schließlich für den etwa 50-jährigen Xuicha, mit dem wir immerhin eine gemeinsame Sprache (Spanisch…) hatten. Und der sich als sicherer und witziger Fahrer entpuppte.
Die Piste nach Ushguli fährt er regelmäßig und so blieb er auch dann cool, als sein Geländewagen sich durch knöcheltiefen Matsch kämpfen, wir einen Gebirgsbach voller Geröll und großer Steine queren und einem Steinschlag ausweichen mussten. An schwierigen Stellen schaltete er den Allradantrieb an und sprach seinem Auto Tschamil Mut zu.
Zwei, drei Mal begegneten wir anderen Menschen: einem Reiter, einem Mann, der mit einem Hammer Schieferplatten am Wegesrand bearbeitete, einem Bauarbeiter. Jedesmal fragte Xuicha nach dem Zustand der Piste und ließ sich versichern, dass sie trotz der starken Regenfälle befahrbar sei.
„Wenn Du nervös wirst, Xuicha, dann werde ich wirklich Angst haben“, sagte ich ihm irgendwann.
Er lachte nur freundlich. „No problema, Julia, no problema!“
Als wir Ushguli erreichten, war die Sonne bereits untergegangen. Vorher hatte sie noch spektakulär die weißen Gipfel der umstehenden Dreitausender angestrahlt. Eine Idee davon bekommt ihr oben auf dem Titelbild dieses Blogposts. Wie gerne hätte ich genau dort unser Dachzelt aufgeschlagen und auch den Sonnenaufgang erlebt.
In Ushguli ist es stockfinster und ganz schön frisch.
Noch während der Fahrt hatte uns Xuicha eine Unterkunft in einem Privathaus organisiert und wir waren sehr froh darüber, einfach bei unseren Gastgebern ankommen zu können, als wir ins stockdunkle Dorf rollten. In Ushguli gibt es nämlich keine Straßenbeleuchtung. Überraschend kalte Bergluft begrüßte uns, als wir aus dem Auto stiegen und krachend unsere Rücken streckten, bevor wir die Rucksäcke überwarfen und den schlammigen Weg hinunter stapften.
Nach wenigen Schritten klapperten uns bereits die Zähne. Aber da öffnete sich auch schon die Tür zum Haus unserer Gastgeber und wir konnten auf die Bank am gußeisernen Ofen sinken, auf dem vor unseren Augen blitzschnell ein frisches Fladenbrot gebacken wurde.
Xuicha jedoch stieg gar nicht erst aus dem Auto. Er drehte um und fuhr die ganze Strecke, für die wir selbst bei Tageslicht vier Stunden gebraucht hatten, zurück nach Lentechi zu seiner Familie.
Von Lentechi nach Ushguli über die Berge
- Die Offroadpiste ist nur von etwa Ende April/Anfang Mai bis Anfang Oktober befahrbar (dazwischen liegt zu viel Schnee) und nur mit einem Geländewagen mit Allradantrieb. Sowohl in Ushguli als auch Lentechi ist es leicht, einen Fahrer mit entsprechendem Auto zu finden. Der Preis muss verhandelt werden. Wer die Strecke selbst fahren will, sollte eine gute Karte haben, denn es gibt unterwegs ein paar Weggabelungen, an denen sich nicht Ortskundige verfransen könnten.
- Xuicha hat uns erlaubt, seine Handynummer weiterzugeben, was wir hiermit tun: +99599139920. Sagt ihm einen schönen Gruß von uns!
Weinprobe, Essen & Übernachten in der Sad Meli Winery
- Ihr könnt die Sad Meli Winery auch einfach für eine Führung und ein Essen besuchen. Wir haben über facebook schnell & auf Englisch kommunizieren können. Wenn ihr übernachten möchtet, könnt ihr über AirBnB ein Zimmer im Guesthouse der Sad Meli Winery buchen. Wenn ihr das über diesen Link tut, erhalten wir eine kleine Provision.Danke. Falls ihr mit eurem eigenen Fahrzeug in Georgien unterwegs seid: Das letzte Stück Weg zur Weinerei ist ein unbefestigter, teils lehmiger, teils gerölliger und nur einspuriger Weg. Ein 4WD braucht ihr nicht, aber bei/nach Regen ist die Piste schwierig zu navigieren. Das Weingut ist ab der Hauptstraße im Tal ausgeschildert.
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